Veröffentlicht im Magazin des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU: „Evangelischen Verantwortung“, Ausgabe 7+8/2011
„Wem kann man noch vertrauen?“ Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen in unserem Land. Das veranlasste den Deutschlandfunk eine Reihe von Hörerinnen und Hörern zu fragen, wem sie noch vertrauen könnten. Die Antworten waren ernüchternd. Politiker, Banker, Journalisten und andere Berufsgruppen wurden als nicht vertrauenswürdig genannt. Die Wahrheit sei heute – so die Meinung der Befragten – kein Maßstab mehr. Viele nähmen es damit nicht mehr sehr genau. Darum könne man im Grunde nur noch sich selbst vertrauen.
Diese offenbar weit verbreitete Haltung ist nicht nur erschreckend, sie hat zur Folge, dass Misstrauen sich ebenso ausbreitet wie Politikverdrossenheit und Vereinsamung. Wer nur noch sich selbst vertraut, ist nur eingeschränkt gemeinschaftsfähig. Jede Gemeinschaft, sowohl die kleine persönliche als auch die große, öffentliche braucht Vertrauen. Ohne Vertrauen ist kein Staat auf Dauer lebensfähig.
Gründe für den Vertrauensverlust
Woran liegt es, dass so viele Menschen das Vertrauen in die Gesellschaft, in den Staat und in seine Institutionen, in die Politik und ihre Repräsentanten verloren haben? Nur wenn wir diese Frage beantworten können, wird es möglich sein, eine Kurskorrektur vorzunehmen. Eine gesellschaftliche Therapie kann es nur geben, wenn die Diagnose offen und schonungslos auf den Tisch gelegt wird. Vertrauensverlust und Vertrauen sind immer das Ergebnis von Erfahrungen. Sind die Erfahrungen schlecht, geht Vertrauen verloren.
Die Finanzkrise hat in hohem Maße dazu beigetragen, dass Anleger, die ihr Erspartes den Banken anvertraut haben, ihr Vertrauen in den Finanzsektor weithin verloren haben. Nachdem einige Bankberater ihnen Finanzprodukte empfohlen haben, ohne sie über die Risiken zu informieren, stehen sie dem Bankenbereich misstrauisch, mitunter sogar feindlich gegenüber.
Auch die Steuerzahler können nur mit Unverständnis zur Kenntnis nehmen, dass sie am Ende für die riesigen Defizite geradestehen müssen. Die finanziellen Defizite, die wir in diesem Bereich zu verzeichnen haben, sind leichter wieder aufzuholen als das entstandene Vertrauensdefizit, zumal viele den Eindruck haben, dass sich seit dem Banken-Crash nicht grundlegend etwas geändert hat.
Im Bereich der Politik gibt es ebenfalls viele Beispiele dafür, wie der Öffentlichkeit die Wahrheit vorenthalten oder wie diese verschleiert wird. Schlimmer als ein inhaltlicher Fehler ist der Verlust an Glaubwürdigkeit, der immer dann entsteht, wenn Wort und Tat nicht übereinstimmen. Glaubwürdigkeit wird auch dann verspielt, wenn Kritiker in oder außerhalb von Parteien ausgegrenzt oder gar fallengelassen werden. Dazu formuliert Helmut Schmidt treffend: „Wer Kritik übel nimmt, hat etwas zu verbergen.“
Sicherlich gibt es immer wieder Politiker, die vor Wahlen der Versuchung nicht widerstehen können, etwas zu versprechen, was sie nach den Wahlen nicht in konkretes Handeln umsetzen. Man muss nicht lange nachdenken, um für diese Praxis Beispiele zu finden:
- Steuersenkungen werden versprochen und nicht umgesetzt.
- Abbau von Subventionen wird versprochen und nicht ausgeführt.
- Entbürokratisierung wird versprochen, aber alles geht im alther- gebrachten Trott weiter.
- Reformen in den unterschiedlichsten Bereichen werden versprochen ohne Folgen.
- Mehr Bürgerbeteiligung wird versprochen und nicht umgesetzt.
- Koalitionen mit der Linkspartei werden kategorisch vor Wahlen abgelehnt, um sie nach den Wahlen eben doch immer wieder ins politische Kalkül zuziehen oder sogar zu realisieren. Vertrauensbildend ist dieses „Versprechungswesen“ bzw. Unwesen ganz sicher nicht.
Die Medien haben den Auftrag, zu informieren, zu kommentieren, zu kritisieren, mitunter auch den Finger in offene Wunden von Politik, Gesellschaft, Kirche, Sport etc. zu legen. Solange sie positiv oder neutral berichten, schätzt man die Medien sehr. Bei Kritik fällt die Zustimmung schon schwächer aus, auch wenn es sich um berechtigte Kritik handelt. Je drastischer die Kritik, umso mehr schwindet verständlicherweise die Akzeptanz bei den Betroffenen. Deckt die Presse nach intensiver Recherche Missstände auf, kommt schnell – mitunter zu schnell – der Vorwurf des „investigativen Journalismus“.
Allerdings gibt es auch Fälle, da tragen die Medien durch ihre Berichterstattung ihrerseits zum Vertrauensverlust der Bürger in ihren Staat und seine Repräsentanten bei. Das geschieht immer dann, wenn durch unzureichende Recherche Fehl- oder Falschinformationen in Umlauf gebracht werden. Das geschieht auch dann, wenn die Berichterstattung zu einer unangemessenen Vorverurteilung führt oder am Ende in keinem Verhältnis zu dem aufgedeckten Fehler steht. Für derartige Verwerfungen gibt es aus allen Bereichen der Gesellschaft bekannte Beispiele. Die Vertreter der Medien sollten den Eindruck vermeiden, dass sie selbst auf einem hohen Ross sitzen, als seien sie denen moralisch überlegen, über die sie berichten. Wer mit zweierlei Maß Sachverhalte oder Personen misst, verspielt Vertrauen.
Der Anspruch, „objektiv“, „überparteilich“ und „unabhängig“ zu berichten, ist so schwer zu erfüllen, dass man sich mitunter mehr Demut und Respekt im Hinblick auf die „Macht“ wünscht, die von den Medien zweifelsohne ausgeht. Damit verhindert man dann auch, dass den Medien vorgeworfen wird, nicht nur zu informieren, sondern mitunter auch zu desinformieren oder gar zu deformieren.
Man hofft, dass die Leser dies nicht merken und durchschauen. Diese „Rechnung“ geht jedoch längst nicht immer auf. Der Leser, Zuhörer oder Zuschauer ist nicht so uninformiert und ignorant wie manche Medienvertreter meinen. Außerdem haben die Empfänger von Informationen durchaus ein Gespür für Wahrhaftigkeit, Fairness und Gerechtigkeit. Werden diese Werte verletzt, dann entsteht auch hier ein Vertrauensdefizit. Wer Entwicklungen und Fehlverhalten aufdeckt, muss dies in verantwortungsvoller und fairer Weise tun.
Am empfindlichsten sind Menschen getroffen, wenn Institutionen wie die katholische oder evangelische Kirche Vertrauen verspielen. Genau das ist geschehen im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in Internaten, Schulen und Kinderheimen. Gerade weil die Erwartungshaltung besonders groß im Hinblick auf die Kirchen ist, darf es nicht verwundern, dass hier auch die größten Verwundungen entstehen können und entstanden sind. Das jahrzehntelange Verschweigen und Verdrängen des Kindesmissbrauchs hat das Vertrauen in bestimmte Einrichtungen und Personen der Kirchen zutiefst erschüttert.
Noch immer haben die Kirchen einen hohen Vertrauenskredit bei den Menschen. Noch immer ist der christliche Glaube vielen Menschen in unserem Land wichtig. Noch immer wünscht man sich, dass dieser Glaube authentisch an die nächste Generation weitergegeben wird. Und genau das verspricht man sich von den Kirchen und ihren Erziehungseinrichtungen.
Die Kirche – ob katholisch oder evangelisch – ist nicht nur für die Mitglieder die Instanz für Werte wie Anstand, Wahrhaftigkeit und Moral. Deshalb erhofft man sich von den Kirchen, dass sie Kinder wertkonservativ erziehen. Dieses Vertrauen ist durch die Missbrauchsfälle und den Umgang mit diesem ernsten Problem bei vielen verloren gegangen. Zu lange wurde die Wahrheit unter den Teppich gekehrt. Wer Worte der Heiligen Schrift über die Wahrheit predigt, muss selbst dieser Wahrheit zu allererst verpflichtet sein und sie leben.
Die Gründe für verlorenes Vertrauen können hier nur schemenhaft skizziert werden. Den Anspruch auf Vollständigkeit erheben die genannten Beispiele nicht. Dennoch können wir festhalten, dass es allein in der jüngsten Vergangenheit genügend Vorfälle gab, die erklären, warum so viele Menschen sich fragen, wem sie eigentlich noch vertrauen können. Sie fühlen sich getäuscht und sind dadurch enttäuscht.
Ist die Lüge ein legitimes Mittel in unserer
Gesellschaft? „Es lügt, wer täuschen will!“,
sagt Augustinus.
„Der Zweck heiligt die Mittel“, ist
ein jesuitischer Grundsatz.
„Niemand hat je die Wahrhaftigkeit
zu den politischen Tugenden gerechnet.“, sagt Hanna Arendt.
2003 erschien ein Buch von Simone Dietz mit dem Titel: „Die Kunst des Lügens“ (6.2.2011 Deutschlandfunk) Dieses Buch – so heißt es im Klappentext – prüft die Argumente, die gegen das Lügen sprechen und kommt zu dem Ergebnis, dass eine grundsätzliche Verurteilung des Lügens nicht zu rechtfertigen sei. „An sich“ sei das Lügen vielmehr eine bemerkenswerte sprachliche Fähigkeit, die in vielen Situationen von Wert sei. Simone Dietz, so schreibt Thomas Schramme in der Frankfurter Rundschau, habe nachgewiesen, dass das Lügen mitunter durchaus seine Berechtigung habe oder nicht in jedem Fall zu verdammen sei.
„Der Spiegel“ vom 25. Februar 2008 druckte einen Beitrag des Politologen Franz Walter ab mit der Überschrift: „Lob der Lüge“ Darunter heißt es: „Weil im Zentrum der Politik die Machtfrage steht, kann es Wichtigeres geben als die Wahrheit.“ Der Autor meint, dass es in der politischen Auseinandersetzung nicht ohne Lügen gehe. „Ein Politiker, der ein „grundehrlicher Kerl“ sein möchte, wäre eine katastrophale Fehlbesetzung. Und irgendwann würden ihn die Bürger mit Spott und Häme verjagen.“
Die Erwartungshaltung der Menschen ist jedoch eine andere. Wahrhaftigkeit erwartet man eben gerade doch von Repräsentanten des Staates und seiner Institutionen. So verbreitet die Lüge auch im Alltag vieler Menschen sein mag, so sehr wünschen sie sich und suchen sie Vorbilder im öffentlichen Leben, die dieser Versuchung widerstehen.
Hier liegt auch ein Grund dafür, dass die Enttäuschung über Karl-Theodor zu Guttenberg so groß war. Viele Bürger hatten in ihm ein Vorbild für konservative Werte gesehen. Die Medien hatten ihn ebenfalls als eine Politikerpersönlichkeit „gezeichnet“, die wie keine andere Werte wie Wahrhaftigkeit, Klarheit und Gradlinigkeit verkörpere. Guttenberg wurde zum Idol hochstilisiert. Nach seiner Plagiatsaffäre trat dann das Gegenteil ein. Der „fabelhafte Guttenberg“ wurde verdammt. Auf das „Hosianna“ folgte das „Kreuzige ihn“.
Was folgt aus diesen Erfahrungen? Es wäre sicherlich falsch, zu resignieren und die Diskussion um verbindliche Werte fallenzulassen. Die Sehnsucht nach Vorbildern ist nicht erloschen. Im Gegenteil: Die Suche nach Persönlichkeiten, an denen man sich orientieren kann, bleibt. Die Bedeutung von Werten bleibt. Das gilt trotz oder gerade wegen der Enttäuschungen, die es immer geben wird.
Unser Land braucht WerteEs ist unbestritten, dass jeder Staat in jeder Zeit Werte braucht. Auch oder gerade weil es Verstöße gegen die verschiedensten Werte gibt, dürfen wir nicht müde werden, uns für die Aufrechterhaltung von Werten einzusetzen. Viele Werte sind zeitlos, müssen aber immer neu mit Leben erfüllt werden, neu erklärt und in die jeweiligen Lebens- und Arbeitszusammenhänge übersetzt werden.
- Der Staat braucht Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität
- Die Arbeitswelt braucht Werte wie Fleiß, Zuverlässigkeit, Pflichtbewusstsein, Rücksicht, Ehrlichkeit, Ordnung, Pünktlichkeit und vieles mehr.
- Die Gesellschaft braucht Werte wie soziale Verantwortung, Hinwendung zu den Schwachen.
- Im Privaten brauchen wir im Umgang mit anderen, insbesondere in der Familie Werte wie Treue, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit.
Sind diese Werte selbstverständlich? Leider nicht. Wären sie selbstverständlich, müssten wir sie nicht immer neu formulieren und definieren. Wären sie selbstverständlich, gäbe es viele negative Entwicklungen nicht.
Was wäre ein Staat ohne Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität?
Wir Deutschen haben dafür in unserer Geschichte traurige Beispiele. Der nationalsozialistische Staat war ein Staat ohne Freiheit für den einzelnen, ohne Gerechtigkeit und ohne Solidarität für alle. Diese und viele andere Werte wurden mit Füßen getreten. Willkür, Unterdrückung, Diskriminierung, Krieg und Massenvernichtung der Juden waren in diesem Staat möglich.
Auch die sozialistischen Staaten waren und sind Staaten, die viele Werte, die staatstragend sind, nicht kennen oder missachten. Das Ergebnis dieser Politik kennen wir alle: Kein Schutz des Eigentums, keine persönlichen Freiheiten für die Menschen, kein verlässliches Rechtssystem, keine Meinungs- und Pressefreiheit, keine Religionsfreiheit, keine freien Wahlen.
Weil wir diese Erfahrungen in unserem Land machen mussten und das damit verbundene Leid kennen, sollten wir streng darauf achten, dass kein Land der EU beitritt, das diese Grundrechte und Werte ihren Bürgern nicht gewährt.
In der Arbeitswelt sind Werte unerlässlich. Fleiß, Zuverlässigkeit, Pflichtbewusstsein, Rücksicht, Ehrlichkeit, Ordnung oder Pünktlichkeit sind eben keine Relikte aus vergangenen Jahrhunderten. Diese Werte können auch nicht nur den Vorständen in Unternehmen zugeordnet werden. Sie müssen für alle gelten und man kann sie auch von allen erwarten. Ein Unternehmen, eine Arztpraxis, eine Schule, eine Universität, eine Behörde – überall tragen diese Werte zum Erfolg und zu einem harmonischen Miteinander bei.
Die 68er Bewegung hat uns weismachen wollen, dass diese Werte die Freiheit der Menschen einenge. Fleiß, Ordnung und Pünktlichkeit wurden verhöhnt und lächerlich gemacht. Viele nahmen diese Begriffe schon deshalb nicht mehr in den Mund, um nicht in den Verdacht zu kommen, hoffnungslos rückständig und konservativ zu sein, geschweige denn, dass man sie in der Erziehung eingeübt oder eingefordert hätte. Worte und Werte verbannte man in die Mottenkiste des 19. Jahrhunderts. Disziplinlosigkeit, Unhöflichkeit, Schlampigkeit und Auflehnung gegen alle bürgerlichen Tugenden und Werte bestimmte das Lebensgefühl und die Arbeitshaltung aller, die mit dieser Bewegung sympathisierten oder sich ihr nur feige unterwarfen.
Unter dem Motto: „Alles was besteht, ist wert, dass es zugrunde geht“ oder „Macht kaputt, was euch kaputtmacht“, wurden fundamental wichtige Werte grundsätzlich in Frage gestellt. An den Universitäten bekämpfte man den „Muff von 1000 Jahren unter den Talaren“.
Man darf sicherlich nicht verkennen, dass es durchaus reformbedürftige Strukturen und auch Werte gab. Sie in Frage zu stellen, war und ist richtig. Insgesamt aber wurde 1968 und in den Folgejahren das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Soziale Gerechtigkeit ist unerlässlich
Soziale Gerechtigkeit und Verantwortung, die jede Gesellschaft braucht, basiert auf Nächstenliebe in Form von Hinwendung zu den Schwachen und Schwächsten in unserem Land.
Es reicht nicht, soziale Gerechtigkeit wortreich zu proklamieren und einzufordern.
Es reicht nicht, das Thema der sozialen Gerechtigkeit in ein Parteiprogramm aufzunehmen.
Es reicht schon gar nicht, soziale Gerechtigkeit in großen Buchstaben auf ein Wahlplakat zu schreiben. Soziale Verantwortung muss man persönlich wahrnehmen. Nächstenliebe muss man üben, Hinwendung zu den Schwachen muss man tun. Hier geht es um Werte, die man leben und vorleben muss. Das gilt für die Familie, für die Arbeitswelt und die Gesellschaft insgesamt. Das sollte täglich an dem Platz geschehen, an dem wir uns gerade befinden.
Wer nur das tut, was ihm persönlich nützt und Gewinn bringt, ist kein Gewinn für unsere Gesellschaft. Diese lebt davon, dass es Menschen gibt, die bereit sind, über das eigene Interesse, über den eigenen Profit und Benefiz hinaus sich einzusetzen, Zeit zu haben für andere und anderes. „Freitag nach eins macht jeder nur seins.“ ist eine Haltung, die weit verbreitet ist. Diese Haltung ist jedoch Ausdruck einer Persönlichkeit mit einem geschwächten oder verlorenen Wertebewusstsein.
Ehe und Familie brauchen Werte
Im Hannöverschen Magazin von 1786 werden einige Werte genannt, die für die Familie und in der Familie von großer Bedeutung sind: „Gegenseitige Rücksichtnahme, Anstand, Interesse füreinander, Teilnahme, Duldsamkeit, Selbstbeherrschung, kurz, die Aufgabe, sich gemeinschaftlich und wechselseitig beständig zu veredeln und zu vervollkommnen.“
Man kann allenfalls eine modernere Begrifflichkeit verwenden, aber im Prinzip wird hier zeitlos beschrieben, welche Werte wir in der Familie leben sollten.
Ehrlichkeit und die damit verbundene Treue in der Partnerschaft sind weder altmodisch noch überholt. Wer sich auf die Treue und die Ehrlichkeit seines Partners, verlassen kann, ist frei, ist entspannt, kann seine Energie und Kraft anderen Dingen zuwenden. Wer selber vertrauen kann, wird auch anderen leichter vertrauen – im Kleinen wie im Großen, in der Familie wie am Arbeitsplatz oder in der Gesellschaft.
Wer Untreue und Unehrlichkeit erlebt und erleidet, wird unsicher, gereizt misstrauisch, freudlos und anderen gegenüber leicht ungerecht und unfreundlich. Der Verlust von zentralen Werten hat immer negative Konsequenzen. Und im Umkehrschluss: Wo Werte gelebt werden, wirkt sich das positiv aus. Die genannten Beispiele zeigen exemplarisch, dass unser Staat Werte braucht. Es gibt keinen Bereich, der auf Werte verzichten kann.
Unser Land braucht christliche Werte
Worauf gründet sich der Ruf nach christlichen Werten? Ist das Christentum nicht auf dem Rückzug? Gibt es nicht immer mehr Kirchenaustritte? Gibt es nicht eine zunehmende Säkularisierung? Distanzieren sich nicht immer mehr Menschen in unserem Land vom christlichen Glauben, von der Religion insgesamt? Hat das Europäische Parlament nicht jeden Gottesbezug in der Präambel der Verfassung Europas abgelehnt?
Der Verlust von Werten ganz allgemein, insbesondere aber der Verlust von christlichen Werten hat bzw. hätte gefährliche Konsequenzen.
„Wenn man in dieser westlichen Welt fragt, was gut und was schlecht, was erstrebenswert und was zu verdammen ist, so findet man doch immer wieder den Wertmaßstab des Christentums auch dort, wo man mit den Bildern und Gleichnissen dieser Religion längst nichts mehr anfangen kann. Wenn einmal die magnetische Kraft ganz erloschen ist, die diesen Kompaß gelenkt hat…,, so fürchte ich, daß sehr schreckliche Dinge passieren können…“So der Physiker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg.
(Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze. 1973, S. 254)
Ähnlich warnte die Publizistin Marion Gräfin Dönhoff:
„Der Mensch ohne metaphysische Bindungen ist seinem
Größenwahn ausgesetzt und für jede Manipulation
anfällig.“
(Zit. nach Walter Allgaier: Glaubwürdige
Kirche – eine Charaktersache. In: Rheinischer Merkur. Nr. 30
v. 26.7.1996, S. 23)
Diese Überzeugung festzuhalten, war in der Vergangenheit richtig und bleibt es auch in der Gegenwart und Zukunft. Die CDU bekennt sich zu christlichen Werten und zu einer Politik aus christlicher Verantwortung in ihrem Grundsatzprogramm. Das macht die Partei nicht nur für Christen attraktiv. Das gilt auch oder gerade deshalb, weil der atheistische Wind in unserer Gesellschaft rauer wird.
Die Tatsache, dass es immer mehr Menschen in unserem Land gibt, die einer anderen Religion angehören, muss uns verstärkt veranlassen, an den eigenen christlichen Wurzeln festzuhalten. „Es gilt ein frei Geständnis in dieser unserer Zeit“, heißt es in dem bekannten Choral „O komm, du Geist der Wahrheit“. Dieses Bekenntnis ist nicht altmodisch. Es ist zeitlos und erforderlicher denn je zuvor.
Ermutigend ist in diesem Zusammenhang die Zahl von etwa fünf Millionen Gottesdienstbesucher an jedem Wochenende. Zum Vergleich: etwa 700 000 besuchen wöchentlich ein Fußballstadion. Diese hohe Zahl von Gottesdienstbesuchern allein belegt schon, dass das Interesse an Fragen des Glaubens, das Interesse nach Orientierung und auch das ernsthafte Fragen nach der Kirche größer ist als manche Zeitgenossen meinen.
70 Prozent der Menschen in Deutschland bezeichnet sich laut Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung als religiös, jeder fünfte sogar als „hochreligiös“. In den Massenmedien, in Hollywoodfilmen, in den bildenden und darstellenden Künsten spielen religiöse Fragen eine wachsende Rolle. Kulturelle Entwicklungen sind immer Seismographen für einen Wandel gesellschaftlicher Fragestellungen.
„Es ist nicht mehr peinlich, nach Gott zu fragen, nach Sinn zu suchen, über Halt und Heimat zu diskutieren, – also existenziell nach dem zu fragen, was größer ist als das Kaufbare, Machbare und Gestaltbare.“ (Margot Käßmann)
Die Präambel unseres Grundgesetzes beginnt mit den Worten: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen…hat das deutsche Volk dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen.“ Diese Wegweisung unserer Verfassungsväter ist ermutigend, aber auch verpflichtend.
Es gibt also viele gute Gründe, sich dafür einzusetzen, dass christliche Werte in unserer Gesellschaft nicht in Vergessenheit geraten oder besser: dass sie in ihrer Bedeutung erkannt, in der Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen eingeübt und von den Erwachsenen vorbildlich vorgelebt werden.
Unser Land braucht Menschen, die Werte leben
Es wäre ein Leichtes, all die negativen Beispiele anzuführen, über die die Medien täglich berichten. Menschen, die gegen Werte verstoßen, sie missachten, gibt es genug. Sie anzuführen wäre ein Leichtes. Jeder mag hier an wen auch immer denken. Sinnvoller ist der Blick auf die Persönlichkeiten zu richten, die die genannten Werte vorleben.
Diese Vorbilder gab es in der Geschichte, aber es gibt sie auch in der Gegenwart. Blicken wir zurück so denken wir z. B. an den Mut und die Zivilcourage, die einige – wenn auch viel zu wenige – Persönlichkeiten in der nationalsozialistischen und sozialistischen Diktatur unseres Landes hatten, indem sie sich auf unterschiedliche Weise den Unrechtsregimen widersetzten.
Der neuste Dokumentarfilm von Petra Seeger „Eine Herzensache – Marga Spiegel und ihre Retter“ schildert fünf Münsterländer Bauernfamilien, die sich in Lebensgefahr begaben, weil sie von 1943 bis 1945 die Familie Spiegel vor dem Naziregime versteckten.
Die Männer und Frauen des 20. Juli haben aktiv daran gearbeitet, dem Terror ein Ende zu setzen und eine andere Republik vorzubereiten. Ihr Plan hatte keinen Erfolg. Ihr Mut und Ihre Bereitschaft, unter Einsatz ihres Lebens für dieses Ziel zu kämpfen, bleibt uns Vorbild.
Auch wenn die Situation im Dritten Reich unvergleichlich ist mit den heutigen Lebensumständen, so findet man auch in der Gegenwart immer wieder Menschen, die beherzt eingreifen, wenn andere in Not geraten. Dazu zählen all die Helfer, die bei Naturkatastrophen überall in der Welt, zuletzt in im Erdbebengebiet in Japan, unter großen Gefahren Hilfe leisten.
Vorbilder im Sinne der genannten Werte sind z.B. auch alle, die ehrenamtlich in unserer Gesellschaft tätig sind. Die Aufgaben sind vielfältig, in den Kirchen, im Sozialbereich, in Wirtschaft und Wissenschaft, in der Kultur, im Sport, in den ganz unterschiedlichen Vereinen, Verbänden, Vorständen, Gremien. Wir sind darauf angewiesen, dass Menschen ehrenamtlich tätig sind, ohne dass sie dafür finanziell belohnt werden.
Wir haben allen Grund, für diese geleistete Arbeit dankbar zu sein, auch wenn sie im Stillen ausgeübt wird. Das immer wieder zum Ausdruck zu bringen, gehört zu einer Anerkennungskultur, die nicht überall sehr ausgeprägt ist. Der Dienst von Ehrenamtlichen wird viel zu selbstverständlich hingenommen. Dabei würde unsere Gesellschaft ohne sie nicht funktionieren. Viele Leistungen könnten nicht erbracht werden, wenn es das ehrenamtliche Engagement nicht gäbe.
Abschließend Worte von Alfred Herrhausen, dem Vorstandssprecher Deutsche Bank, der 1989 von Terroristen durch ein Bombenattentat ermordet wurde:
„Wir müssen das, was wir denken, sagen.
Wir müssen das,
was wir sagen, tun.
Wir müssen das, was wir tun, dann auch
sein.“
Elisabeth Motschmann, Bremen
Juni 2011