Rede zur Verleihung des Bremer Literaturpreises

Bremer Literaturpreis einer der wichtigsten Preise seiner Art Preisübergabe im Bremer Rathaus – Brigitte Kronauer und Antje Rávic Strubel ausgezeichnet

Im Rahmen eines Festaktes in der Oberen Rathaushalle…… ist am heutigen Mittwoch (26. Januar 2005) der Bremer Literaturpreis 2005 der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung an Brigitte Kronauer verliehen worden. Die Schriftstellerin erhält die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung für ihren Roman „Verlangen nach Musik und Gebirge“, in dem sie „ in beispielhafter Weise die Kunst subjektiven Erzählens vorführt“. Zugleich erhielt Antje Rávic Strubel für ihren Roman „Tupolew 134“ den mit 6.000 Euro dotierten Förderpreis.

Staatsrätin Elisabeth Motschmann gratulierte den beiden Preisträgerinnen in Vertretung von Kultursenator Bürgermeister Dr. Peter Gloystein wie auch im Namen des Senats der Freien Hansestadt Bremen und bedankte sich bei der Jury: „Mit Ihrer Entscheidung haben Sie wieder einmal nachdrücklich gezeigt, warum der Bremer Literaturpreis zu Recht als einer der wichtigsten Preise seiner Art in der Republik zählt“

Elisabeth Motschmann: Begrüssungsrede anlässlich der Verleihung des Bremer Literaturpreises

Sehr geehrte Frau Kronauer,
sehr geehrte Frau Strubel,
sehr geehrter Herr Kronauer,
verehrte Mitglieder der Jury,
sehr geehrter Vorstand der Rudolf Alexander Schröder-Stiftung
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Es ist mir eine große Freude, Sie heute anlässlich der Verleihung des Bremer Literaturpreises 2005 hier in der Oberen Halle des Bremer Rathauses begrüßen zu dürfen.
Der Bremer Literaturpreis hat sich im Laufe eines halben Jahrhunderts zu einem der bedeutendsten Literaturauszeichnungen Deutschlands entwickelt. Und das obwohl Bedeutendes hier nicht immer auf offene Ohren gestoßen ist. Manch einen hat das zur These hinreißen lassen, dass Bremen und die Literatur nicht zusammenpassen. Bremen sei »eine amusische Stadt der Pfeffersäcke«, hieß es.

Zugegeben, die berühmten Bremer Stadtmusikanten haben ihr ersehntes Ziel nie erreicht. Die Federn sind eigentlich also fremde. Heinrich Heine und Wilhelm Hauff haben sich hier zwar verewigt, aber sie taten das hauptsächlich im Ratskeller und unter Einsatz nahe liegender Rauschmittel. Und der große Aufklärer Adolph Freiherr von Knigge? Er liegt hier hauptsächlich begraben. Und trotzdem: Heute ist diese vermeintlich »amusische Stadt« Sitz einiger der anspruchsvollsten Literaturzeitschriften und ambitioniertesten Verlage, in der soeben einer der modernsten Zentralbibliotheken Europas eröffnet wurde und die sich darüber hinaus in den nächsten Jahre einiges vorgenommen hat!
Bremen hat sich einen umfassenden Prozess der kulturellen Neuaufstellung verschrieben. Die Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2010 begreifen wir als einen stadtweiten Entwicklungsprozess. Doch was heißt und zu welchem Ende betreiben wir diesen Entwicklungsprozess? Ein schillerndes Jahr 2010 allein begründet den Aufwand wohl kaum. Letztendlich geht es darum, die Identität der Stadt und der Bürger, die in ihr leben, zu stärken. Es geht darum, des eigenen Profils bewusst zu werden. Es geht darum, Stärken und Schwächen richtig einzuschätzen und mit diesem Rüstzeug den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.

Was heißt das für die Ausrichtung unserer Kulturpolitik? Wir möchten die Eigenheiten unserer alten Hansestadt in einen europäischen Kontext stellen und unsere Ideen einer lebenswerten Urbanität für Europa fruchtbar machen. Selbstredend kann es dabei nicht darum gehen, den Schlendrian unreflektierter Gewohnheiten zu perpetuieren. Bremen muss sich auf seine Stärken besinnen, Schwerpunkte setzen, sich dabei der schwierigen Diskussion um Schwachstellen stellen und so an einem klaren Profil arbeiten.

Die Erweiterung des Kulturbegriffs, die ehrliche Streit um Qualitäten, der Wettbewerb der Ideen, die Vernetzung der Akteure – das sind die Pfeiler, auf denen wir einen Erfolg bauen wollen. Und in einem ersten Rückblick darf man mit Fug und Recht behaupten: Der Prozess hat schon viel und Viele bewegt.
Zum Beispiel in der Literatur. Hier haben wir in den letzten Monaten einige neue Spielzüge ausprobiert. Und die ersten Erfahrungen sind sehr ermutigend.

Die vielfältige und lebendige Literaturszene der Stadt hat sich mit dem Projekt »Virtuelles Literaturhaus« beispielhaft den Herausforderungen einer zukünftigen Kulturhauptstadt gestellt. Sie hat ein Netzwerk geschmiedet, das sich zum Ziel gesetzt hat, gemeinsam innovative Ideen für die Vermittlung und Erforschung von Literatur im Zeitalter der Multimedialität zu entwickeln.

In einer gemeinsamen Internet-Plattform soll das vielfältige Literaturangebot der Stadt gebündelt und erlebbar zum Ausdruck gebracht werden. Das virtuelle Literaturhaus bietet Platz für historische Tiefenschärfe, Foren für den Austausch unter Autoren, Lesern und Einrichtungen, Diskurse über Gegenwartsfragen, Audiofiles von Lesungen, Hörfunk-Geschichten und Portraits oder einfach nur Meinungen über Bücher. Der Startschuss für den ersten Teilschritt ins Netz konnte jetzt im Rahmen der Literarischen Woche gegeben werden. Man darf gespannt sein auf dieses Experiment.
Und noch ein Beispiel: Vor zwei Wochen wurde beim Neujahrsempfang des Senats die »Bibliothek im Eis« eröffnet. Ein faszinierendes Projekt, das aus einer Idee des Kölner Künstlers Lutz Fritsch und unseres renommierten Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven entstanden ist. In unmittelbarer Nähe der Neumeyer-Forschungsstation, mitten in der menschenfeindlichen Unwirtlichkeit des Südpols steht dort ein grüner Container, randvoll mit Büchern, geheizt, freundlich, mit Aussicht. Ein warmer Ort in der Eiswüste. Ein freundlicher Ort in einer lebensfeindlichen Gegend. Ein Ort des Geistes, wo die Natur ihr eisiges Regiment führt. Eine Realität gewordene Utopie. Eine Gegenwelt.
Bremen, die »Stadt der Wissenschaft 2005« bekennt sich zur Notwendigkeit kultureller Kontextualisierung und schlägt Funken aus der Begegnung von Wissenschaft und Kunst, aus den Blüten, die Forscherdrang und Erkenntnisinteresse hervorbringen. Dem Erkenntnisinteresse widmet sich die von der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung ausgerichtete mittlerweile 29. Literarische Woche. Noch bis zum 9. Februar wird ausgelotet, wo das geistige und tatsächliche »Amerika« derzeit zu finden ist. Zusammen mit vielen engagierten Kooperationspartnern haben die Verantwortlichen ein hoch attraktives Programm gestrickt, das uns auf den Pfaden von Literatur, Filmkunst, Hörspiel und den verschlungenen Wegen des Worldwideweb durch Amerika führt.

Es wird gefragt nach dem Zustand des »transatlantischen Affäre« zwischen den Amerikas und Europa. Und damit stellt sich die Stiftung den drängenden Fragen unserer Zeit. Nicht zufällig hat sich das gerade zu Ende gegangene internationale Bremer Filmsymposion mit dem Phänomen »Mainstream« und damit auch mit Mythos und Macht Hollywoods auseinandergesetzt.

Bitte erlauben Sie mir zum Abschluss noch, mich im Namen des Senats zu bedanken:
Der Erfolg des Bremer Literaturpreises steht und fällt mit der Arbeit der hochkarätigen Jury. Ihre Mitglieder verantworten die Auswahl, stehen persönlich ein für Konsequenz und Qualität. Sehr verehrte Jurorinnen und Juroren, lassen Sie mich Ihnen ganz besonderen Dank sagen für Ihre Arbeit und das Herzblut, das Sie jedes Jahr aufs Neue für den Bremer Literaturpreis einsetzen. Mit Ihrer jüngsten Entscheidung haben Sie wieder einmal nachdrücklich gezeigt, warum der Bremer Literaturpreis zu Recht als einer der wichtigsten Preise seiner Art in der Republik zählt.
Für den wichtigen Förderpreis haben wir mit der Öffentlichen Versicherung Bremen einen Stifter gewinnen können, der bis zum Jahre 2010 seine Unterstützung zugesichert hat. An dieser Stelle möchte ich den Vertreter der ÖVB, Herrn Dopheide, meinen besonderen Dank für dieses in jeder Hinsicht wertvolle Engagement aussprechen. Möge diese Form nachhaltigen Mäzenatentums, das so prächtig in die alte Bürgerstadt Bremen passt, Nachahmung finden. Sie sehen, meine Damen und Herren, die Bremer Unternehmen erweisen sich schon jetzt als absolut kulturhauptstadtwürdig!
Nicht zuletzt gilt mein Dank den für die Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtbibliothek Bremen, denen wir diese Feierstunde verdanken.
Liebe Frau Kronauer, liebe Frau Strubel: Ich darf Ihnen persönlich und im Namen des Senats der Freien Hansestadt Bremen ganz herzlich zu dem Votum der Jury gratulieren!

Herzlichen Dank!