Quote hat mit Qualität nichts zu tun

WELT AM SONNTAG, 13. November 1994

Eine CDU – Politikerin rät ihrer Partei zur Ablehnung der „Frauenquote“

Von E. MOTSCHMANN

Frauen haben keinen Grund zur Freude, wenn nun auch die CDU auf den „Quotenzug“ aufspringt. Peinlich und beschämend ist es, wenn dies der einzige Weg sein sollte, für eine angemessene weibliche Repräsentanz in politischen Gremien zu sorgen. Haben Frauen das nötig und verdient?

Sind sie nicht gut genug, um sich in demokratischen Wahlen zu behaupten? Genügend Frauen haben bewiesen, daß sie sich aufgrund ihrer Leistung und Persönlichkeit durchsetzen können. Ihrem Vorbild zu folgen ist besser, als das Liebäugeln mit der Quote. Quote hat mit Qualität nichts zu tun. Das bestätigen die Erfahrungen anderer Parteien mit dieser Regelung. Im politischen wie in jedem anderen Geschäft sollte allein die Leistung entscheiden, nicht aber die Chromosomen. Die geringere Präsenz von Frauen in der Politik hat sehr unterschiedliche Gründe. Man macht es sich zu leicht, allein den Männern die Schuld daran zuzuschieben. Männer sind nicht „Verhinderungsstrategen“ gegen die Mitarbeit von Frauen in der Politik. Weibliche Rivalität ist meist vernichtender als männliche. Frauen untereinander mangelt es noch an Solidarität. Hingegen bemühen sich viele Männer engagiert darum, Frauen für eine politische Mitarbeit zu gewinnen. Nicht selten bekommen sie einen „Korb“. Da sind zunächst die jungen Frauen, die keine politischen Verpflichtungen wollen, weil ihnen die familiären wichtiger sind. Sie lehnen es ab, ihr Leben aufzuteilen zwischen Kinderzimmer und Sitzungsräumen. Erwerbstätige Frauen, die bereits Mühe haben, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, sehnen sich ebenfalls nicht nach zusätzlichen Aktivitäten, die Zeit kosten, und schließlich sind da jene Frauen, die sich nicht in die hierarchischen Strukturen einer Partei einordnen wollen. All dies sind gute Gründe, der Politik fernzubleiben. So erklärt sich, daß deutlich weniger weibliche als männliche Parteimitglieder in den großen Volksparteien aktiv mitarbeiten. Erschwerend bei Kandidaturen um die verschiedenen Ämter wirkt zudem, daß sich Frauen oft eng begrenzte Schwerpunkte insbesondere in sozial- und frauenpolitischen Bereichen selber aussuchen. Ihnen würden sich viel mehr Möglichkeiten eröffnen, wenn sie sich mehr engagierten in Ressorts wie Wirtschaft, Finanzen, Umwelt, Innen-, Außen- oder Verteidigungspolitik. Die Attraktivität einer Partei hängt nicht von der Anzahl ihrer weiblichen Mandats- und Funktionsträger ab. Entscheidend sind ihre Ziele und ihre Glaubwürdigkeit. Wenn die CDU sich beim bevorstehenden Bundesparteitag nun auch für eine Frauenquote entscheidet, werden ihr damit nicht automatisch Wählerinnen zuströmen; Frauen wählen nicht bevorzugt Frauen. Sie wählen überlegter und souveräner, als die Befürworterinnen der Quote meinen. Frauen wählen ebenso wie Männer Persönlichkeiten, die unter Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse der Bürger mutig und geradlinig ihre Positionen vertreten und durchsetzen. Mit seinem Einsatz für die Pflegeversicherung hat Norbert Blüm möglicherweise viel eher die Interessen von Frauen vertreten als etwa Rita Süssmuth mit ihrem Einsatz für die Quote. Die CDU wäre gut beraten, wenn sie sich gegen Quotenfrauen entscheidet. Sie sollte stattdessen qualifizierte Frauen mehr als bisher fördern und ihnen politische Verantwortung übertragen – ohne Zwang, aus Überzeugung.

Elisabeth Motschmann ist stellvertretende Vorsitzende der Bremer CDU