Die Zeitung für Stadtkultur, Dezember 2004 / Januar 2005
Elisabeth Motschmann erläutert den umstrittenen Masterplan zur Kulturentwicklung. Wir dokumentieren ein Gespräch mit der Staatsrätin für Kultur vom 10. November 2004
Zett: Der Masterplan hat in der Kulturszene für einige Aufregung gesorgt. Mich würde Ihre Einschätzung…
…interessieren, Frau Motschmann: Was sind die Stärken und was die Schwächen des Masterplans?
Motschmann: Zunächst einmal finde ich es gut, wenn eine Vorlage der Behörde lebhaft diskutiert wird in der Kulturszene, weil es dadurch zu einem wichtigen Dialog kommt zwischen denen, die für Kulturpolitik verantwortlich sind und denen, die Kultur schaffen. Der >Masterplan für die Kulturförderung< ist ein Aufschlag für eine Zukunftskulturpolitik, die neue Weichenstellungen vornehmen muss, weil sich viele Rahmenbedingungen verändern. Wir haben zum Beispiel das große Projekt Kulturhauptstadt, das natürlich Einfluss hat, auf das, was wir tun. Es gibt schwierige finanzielle Rahmenbedingungen, die aber nicht dazu führen dürfen, dass uns wichtige Kulturarbeit wegbricht, sondern wir wollen sie erhalten und fördern. Dazu gehört verstärkt die Sparten übergreifende Arbeit, die von einem breiten Kulturbegriff ausgeht, der eben nicht nur Kultur, sondern auch Wissenschaft, Wirtschaft und Bildung einbezieht.
Zett: Wo denken Sie muss noch nachgebessert werden, wo ist der größte Diskussionsbedarf?
Motschmann: Wir müssen das, was hier an allgemeinen Zielen formuliert ist, konkret beziehen auf die einzelnen Einrichtungen, Projekte, Initiativen und auf die Brutstätten. Diese Konkretisierung ist jetzt dringend notwendig
Zett: Einer der Diskussionspunkte ist ja die institutionelle Förderung, die zugunsten der Projektförderung zurückgefahren werden soll.
Motschmann: Die Projektförderung erhält zukünftig ein stärkeres Gewicht als die institutionelle Förderung, aber erfolgreiche Projektförderung braucht eine Infrastruktur, die sie trägt. Und das ist meiner Meinung nach auch richtig, denn wir wollen ja einen Ideenwettbewerb, Leistungsanreize, wir wollen Kreativität fördern und die besten Vorschläge müssen dann auch finanziert werden können. Dazu gibt es im Masterplan ganz deutliche Aussagen: Zum Beispiel, dass die Kultur geschützte Räume braucht. Sie sind Grundvoraussetzung dafür, dass sich etwas entwickelt. Ganz deutlich sehen wir das im Zusammenhang mit dem Projekt Kulturhauptstadt – was sich da inzwischen alles regt und tut. Diese Möglichkeiten hatten wir früher gar nicht, weil es keinen Projekttopf in der Größenordnung gab. Deshalb glaube ich, dass die Sorge, die sich an dieser Stelle äußert, nicht berechtigt ist.
Zett: Die Sorge ist ja, dass es zu einer zunehmenden Ökonomisierung der Kultur kommt und dass dieser Masterplan nicht wirklich ein Kulturentwicklungsplan, sondern ein Einsparplan ist. Dadurch, dass die Einrichtungen weniger institutionelle Förderung bekommen und Projektmittel einstellen müssen, kommt es ja quasi zu verordneten Projekten.
Motschmann: Also, alle Projekte, die wir auf dem Tisch haben, sind keine verordneten Projekte, sondern sind lebendig gewachsen, natürlich von unterschiedlicher Strahlkraft nach innen oder nach außen. Die Ökonomisierung ist eine Sorge vieler Kulturschaffender. Was wir machen müssen, ist die Arbeit betriebswirtschaftlich so zu organisieren, dass wir möglichst viel für die eigentliche Kulturarbeit haben. Deshalb ist eine kluge, profilierte und betriebswirtschaftlich versierte Leitung der Einrichtungen wichtig, denn das ist ja Voraussetzung dafür, dass sie möglichst viel Raum haben, um ihre Kreativität zu entfalten.
Zett: Gestoßen wird sich oft an den hohen Personalkosten der Häuser. Gleichzeitig sind das die Menschen, die Kultur machen. Da einzusparen heißt, diese Menschen aus ihren festen Arbeitsverhältnissen herauszudrängen. Zugespitzt würde das für Einrichtungen wie Lagerhaus und Schlachthof heißen, wir müssen festes Personal entlassen, um sie dann im nächsten Jahr als Projektmitarbeiter auf Honorarbasis wieder einzustellen.
Motschmann: Das kann man dem Plan nicht entnehmen, dass das das Ziel ist. Ich glaube auch nicht, dass es richtig ist; richtig ist aber, dass die finanzielle Basis nicht wächst. Wir müssen überlegen, wie gehen wir künftig mit Tarifsteigerungen um, die dann von den Häusern erwirtschaftet werden müssen und das ist nicht einfach, keine Frage. Aber, dass Mitarbeiter entlassen werden sollen und dann für Projekte wieder eingestellt werden, das steht an keiner Stelle im Masterplan, sondern darin steht, wie organisieren wir innerhalb eines Mittelrahmens, den wir haben und der sich nicht ausweitet, sondern eher enger wird, unsere Kulturarbeit so, dass wir trotzdem Fortschritt organisieren, dass wir trotzdem die Brutstätten unterstützen, trotzdem Kinder- und Jugendförderung machen. Was ich nicht will und das sage ich ganz deutlich, ist, dass wir kulturpolitisch zu Nachlassverwaltern werden, dessen was ist oder immer war. Wir müssen natürlich das, was wir an Gutem haben, schützen und erhalten, aber es müssen ja auch Freiräume für Neues vorhanden sein, sonst haben wir einfach Stillstand
Zett: Ich zitiere die Hamburger Kultursenatorin Professorin Karin von Welck: >Kultur- und Kunstbetriebe sind nicht nach Rentabilitäts-Kriterien zu führen wie Wirtschaftsbetriebe. Diese Forderung gibt es meines Erachtens aber zunehmend und das meinte ich, als ich von meiner Befürchtung einer >gnadenlosen Ökonomisierung< sprach. Denn schnell heißt es heute: Ein volles Theater ist ein gutes Theater, ein leeres Theater ist ein schlechtes Theater. So ist es aber nicht. Kunst braucht Freiheiten. Kunst braucht die Nische, die Exklusivität und manchmal auch die Unterstützung, die Schutz zur Entfaltung bietet. Sonst bewegt sie sich nicht. Dieses Denken wünschte ich denen, die schnell von >teurer< Kunst und Kultur sprechen. Sicher, ich freue mich sehr, wenn Veranstaltungen rappelvoll sind, aber Quantität ist kein Qualitätsmerkmal per se.
Motschmann: Das kann ich voll unterstreichen, dem würde ich mich ganz und gar anschließen und Sie können das auch an einem Beispiel in Bremen leicht festmachen: Natürlich werden im Neuen Museum Weserburg niemals so viele Besucher sein, wie in der Kunsthalle oder im Überseemuseum. Dafür gibt es Gründe, aber das heißt ja niemals, dass die Qualität in Frage gestellt werden muss, denn hier wird eine hoch qualifizierte, auch international anerkannte Arbeit geleistet, die eben nicht die Massen anzieht, dafür aber ein sehr interessiertes, versiertes auch überregionales Publikum. Daran kann man ganz klar erkennen, dass wir natürlich nicht Besucherquoten und damit die Einnahmenrückflüsse zu einem alleinigen Kriterium der Kulturförderung machen. Das wäre entsetzlich. Allerdings muss man auch andersherum sagen, es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um möglichst viele Menschen an die Kultur heranzuführen, für die Kultur zu begeistern. Jugendliche ganz besonders, aber auch Erwachsene. Wir müssen Werbung machen für die Veranstaltungen, denn wir wollen nicht Kultur organisieren für einen kleinen Kreis intellektuell interessierter bürgerlicher Schichten, sondern möglichst, und da bin ich dann auch beim Schlachthof, der das ja in vorbildlicher Weise macht, für viele Menschen aus verschiedenen sozialen Gruppen.
Zett: Im Masterplan steht auch, Kultur müsse jedem zugänglich sein und es solle wohnortnahe Angebote geben. Im Widerspruch dazu steht die Forderung, dass Einrichtungen Profilbildung betreiben sollen bis hin zur Ausbildung von Alleinstellungsmerkmalen. Wenn man das zu Ende denkt, dann schärft jede Einrichtung ihr Profil solange, bis beispielsweise der Schlachthof der Ort für Jugendtheater in Bremen ist. Aber was heißt das für die anderen Häuser und was heißt das für Jugendliche, die in Tenever und Kattenesch aufwachsen? Müssten die alle zu der einen Einrichtung fahren oder wird es weiterhin eine Streuung geben?
Motschmann: Dahinter verbirgt sich, dass nicht alle alles machen sollen, weil nicht alle alles gleich gut machen können.
Zett: Aber die Streuung brauchen wir trotzdem und dass es wohnortnahe Angebote geben soll steht im Masterplan.
Motschmann: Ja, die Streuung brauchen wir schon. Das eine tun und das andere nicht lassen. Das würde aber nicht heißen, dass es nur noch im Schlachthof Kinder- und Jugendtheater gibt, sondern das findet auch im Moks statt und in anderen Stadtteileinrichtungen und das soll auch da stattfinden. Nur hat der Schlachthof an dieser Stelle eine besondere Anziehungskraft und das finde ich gut.
Zett: Senator Gloystein hat in einem Interview gesagt, der Druck werde erhöht, das bezog sich darauf, dass die Einrichtungen jetzt schon nicht ausreichend finanziert sind. Wie wird das Kulturressort in dieser schwierigen Zeit die Institutionen stärken?
Motschmann: Die Eckwerte aller Ressorts geraten unter Druck. Wie stark das sein wird, hängt von der Entwicklung des bremischen Haushalts ab, unter anderem auch vom Kanzlerbrief. Wir wollen aber mit guten Argumenten um die Kultur für Bremen kämpfen und wir sollen mit allen unseren Kräften helfen, mit der Situation fertig zu werden. In diesen Prozess wird auch das Kufturhauptstadt-Team einbezogen.
Zett: Wir haben ja eine etwas merkwürdige Situation: Es liegt ein Masterplan vor, der vom Finanzsenator abgesegnet wurde, wir haben einen Kulturhauptstadt-Intendanten, der bei allem dabei ist. Da fragt man sich: Wer ist denn jetzt eigentlich Kultursenator? Wer ist zuständig für die Kulturentwicklung?
Motschmann: Der Masterplan ist nicht im Finanzressort entstanden, sondern im Kulturressort, in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Projektes Kulturhauptstadt. Es war ein Wunsch des Finanzsenators, gute Begründungen für investiv verausgabte Gelder aufzuzeigen. Das finde ich nachvollziehbar. Aber die Inhalte des Masterplans stammen ganz allein aus dem Kulturressort. Der Grund dafür, dass der Finanzsenator, wie auch andere Ressorts an der Erstellung beteiligt waren ist einfach der, dass das Projekt Kulturhauptstadt ein gesamtstädtisches Projekt ist.
Zett: Der Masterplan geht aber über die Vergabekriterien hinaus. Das ist ja das, worüber sich eigentlich aufgeregt wird.
Motschmann: Es ist doch nur vernünftig, wenn wir ein Kulturhauptstadt-Projekt nicht völlig neben der Kulturförderung planen. Sondern, dass wir das eng verbinden mit dem was wir haben. Und wir haben wirklich eine vorzeigbare Kulturszene in Bremen, um die uns viele beneiden. Diese guten Voraussetzungen können wir nur verbessern, wenn wir das gemeinsam machen und dadurch auch eine Nachhaltigkeit organisieren. Viele Kulturhauptstädte haben das Problem, dass sie etwas ganz Tolles aufbauen und hinterher fällt wieder alles in sich zusammen. Diesen Fehler möchten wir nicht machen. Wir möchten, dass die beiden Prozesse Kulturhauptstadt und grundständige Kulturförderung verzahnt werden und zusammenlaufen. Insofern ist dieser Masterplan nichts, was Türen zuschlägt, sondern wir öffnen hier neue Türen.
Zett: Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der im Masterplan auftaucht, ein anderer ist der Mehrwert.
Motschmann: Das meine ich mit >neue Türen öffnen<. Wer jetzt zum Beispiel in besonderer Weise Projekte zur Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen schafft, der wird mit Sicherheit ein offenes Ohr finden. Andere Schwerpunkte sind genannt: die Brutstätten, die lebendige Szene, die zusätzlich profitieren soll von dem Projekt Kulturhauptstadt und von der Kulturförderung insgesamt. Diese Schwerpunktsetzung hin zur freien Szene, hin zu innovativer, kreativer Kulturentwicklung ist ein wichtiges Moment des Masterplanes. Wir wollen nicht, dass sich angesichts von möglicherweise weniger werdenden Mitteln Resignation breitmacht, das wäre entsetzlich für die Kultur.
Zett: Die zugrundeliegende Befürchtung ist die, dass Kunst jetzt immer etwas bringen und sich am Markt orientieren soll. Wenn van Gogh sich seinerzeit am Markt orientiert hätte, würde ihn heute keiner mehr sehen wollen, dann wäre er einer von vielen namenlosen Künstlern. Es sind ja oft die unbequemen Künstler, die eine Nachhaltigkeit haben. Was machen wir nun mit denen, die nicht so kompatibel sind?
Motschmann: Genau das sind die Freiräume und die Brutstätten. Wir wollen keine bequeme Kultur, auch keine Kultur, die dem Zeitgeist nach dem Munde redet, sondern wir wollen eine lebendige Kultur, die immer auch ein Stück im Widerspruch zu bestimmten Entwicklungen steht. Natürlich gibt es Kunst, die viele auf Anhieb schön finden, das hat man hier gesehen an den großen Ausstellungen. Auch bei Theater oder Film gibt es welche, die sind sofort ein Renner und es gibt andere, die werden es nie sein und sind doch von hoher Qualität. Und genau da setzt dann die Kulturförderung ein, dass sie dort Freiräume erkennt und schützt.
Interview: Gudrun Goldmann