Kunst in der Knochenhauerstraße

Rede von Staatsrätin Elisabeth Motschmann anlässlich des 10-jährigen Jubiläums am 1. Dezember 2004 in den Räumen der ZGF

Liebe Ulrike Hauffe,
lieber Prof. Rautmann,
liebe Künstlerinnen,
meine sehr verehrten Damen und Herren

Ich begrüße Sie herzlich und freue mich sehr, den heutigen Abend eröffnen zu dürfen. Das Jubiläum ist allen Frauen gewidmet, die bisher in der Reihe „Kunst in der Knochenhauerstraße“ ausgestellt haben.

„10 Jahre Kunst in der Knochenhauerstraße“: das bedeutet zehn Jahre interessante und spannende Begegnungen mit Malerinnen, Zeichnerinnen, Fotografinnen, Bildhauerinnen und ihren Werken. Die Kunstwerke teilen uns etwas mit über Lebenssicht der Künstlerinnen und geben uns als Kunstbetrachtende die Möglichkeit, uns damit auseinander zu setzen und etwas für uns persönlich Wichtiges zu erkennen.

Im Laufe der Jahre ist diese und jene künstlerischen Position sicherlich auch kontrovers aufgenommen und diskutiert wurden. Aber so soll es ja sein: Kunst soll anregen, durchaus provozieren, andere, neue Blick- und Denkweisen ermöglichen.

Für viele Besucherinnen der Gleichstellungsstelle waren diese Ausstellungen vielleicht auch ihr erster Zugang zur zeitgenössischen Kunst. Die ZGF ist Ansprechpartnerin für sehr viele Frauen mit ganz unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen. Viele kommen hierher. So sehen sie die künstlerischen Arbeiten, und ich kann mir vorstellen, dass die eine oder andere, die sich bisher noch nie mit moderner Malerei beschäftigt hat, plötzlich Lust auf mehr bekommt.

Zehn Jahre Kunst in der Knochenhauerstraße bedeutet aber auch, Künstlerinnen die Chance zu geben, ihre Arbeiten einem Publikum bekannt zu machen und zu verkaufen. Dies ist ein Aspekt von Künstlerinnenförderung. Es freut mich deshalb besonders, dass es in den letzten Monaten zu einer engen Zusammenarbeit der Gleichstellungsstelle mit dem von meinem Ressort geförderten Künstlerinnenverband Bremen gekommen ist.
Künstlerinnen bleibt oft aufgrund ihrer familiären Belastungen wenig Zeit, die eigenen Arbei-ten angemessen in das komplizierte Gefüge des Kunstbetriebes einzubringen. Bildende Künstlerinnen sind – gerade wenn sie Kinder und Familie haben – immer noch in höherem Maße als ihre männlichen Kollegen auf eine gut funktionierende Infrastruktur angewiesen, auf öffentliche Angebote und ein Netzwerk aus Freunden, Bekannten und Förderer. Ich stelle mir vor, dass in Zusammenarbeit mit meinem Ressorts, dem Künstlerinnenverband Bremen und der Gleichstellungsstelle durchaus solche Netzwerke noch dichter gestrickt werden können.

Das Bewusstsein für den Stellenwert der Frauen im modernen Kunst- und Ausstellungsbetrieb ist in der Öffentlichkeit durchaus präsent. Mittlerweile sind gute 50 % der Studierenden an den Kunstakademien Frauen. Dem steht allerdings nur ein Anteil von ca. 10 % weibli-cher Professorinnen gegenüber. Die Bremer Kunstakademie ist da übrigens auch keine Ausnahme. Nun wissen wir ja, dass der Professorinnenanteil an Hochschulen und Universitäten insgesamt nicht sehr hoch ist, aber so extrem wie in den bildenden Kunst ist es in den anderen Bereichen nicht mehr. Die Lehrbereiche der Kunstakademien und damit die Möglichkeit, eine Generation von Studentinnen und zu Studenten zu führen und zu beeinflussen, sind heute immer noch fest in Männerhand. Dies ist sicherlich nur eine, wenn auch sehr wichtige Facette der Situation von Frauen im Kunstbetrieb.

Obwohl bereits seit Anfang der 80er Jahre die Hälfte der Studierenden an den Kunsthochschulen in den Bereichen freie Kunst und Malerei Frauen sind und sie in den Meisterklassen sogar überdurchschnittlich vertreten sind – haben sie nach wie vor große Schwierigkeiten, auf dem Kunstmarkt und in den Museen adäquat vertreten zu sein. Es gibt im Vergleich zu den 80er Jahren mittlerweile zwar eine breite Gruppe deutscher und internationaler Künstlerinnen, die sich innerhalb des letzten Jahrzehnts nach vorne gearbeitet haben. Es ist aller-dings immer wieder festzustellen, dass Künstlerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen mit Zeitverzögerung den Sammlern, Kritikern, Galeristen und Kunstwissenschaftler auffallen.

Der Anteil von Werken von Künstlerinnen in etablierten Ausstellungshäusern zeitgenössischer Kunst liegt bei knapp 12 %, die Kataloge der 14 bedeutendsten Kunstsammlungen der Moderne in Deutschland weisen nur zu ca. 8 % die Werke von Künstlerinnen aus. Und eine letzte Zahl: von jedem öffentlichen Euro, der in die Förderung künstlerischer Projekte fließt, kommen ca. 0,85 € der Produktion und Präsentation des Werkes von Künstlern zugu-te und höchstens 0,15 € den Künstlerinnen.

Die Gründe für diese Situation von Künstlerinnen liegen auf der einen Seite sicherlich in dem Spagat zwischen Beruf und Kindern – wie es die meisten berufstätigen Frauen mit Familie bzw. Kindern erfahren. Auf der anderen Seite, der künstlerischen, sind die Gründe so sehr komplex und wie vieles im Strukturgefüge der Gegenwartskunst irrationaler Natur, so dass sich oft keine faktische Erklärung dafür anbietet.

Ein Punkt ist jedoch sehr entscheidend. „Talente“ werden nicht nur „entdeckt“, sondern oft genug gemacht. Neben der unabdingbaren Qualität und Innovationskraft eines künstlerischen Werkes ist sehr wohl eine offensive Strategie der Vermittlung, der öffentlichen Würdigung und der kunstwissenschaftlichen Anerkennung zwingend notwendig. Nur so kommen Künstlerinnen in das Netz des kunsttheoretischen Diskurses und der öffentlichen Wertschätzung, die dann auch Markt genannt wird.

Gerade was die offensive Strategie der Vermittlung des eigenen Werkes und der eigenen Person angeht, die eigene Vermarktung also, hat das Netzwerk, das Sie Frau Hauffe und ihre Kolleginnen der ZFG mit den Frauenverbänden und fachlichen und wirtschaftlichen Zusammenschlüssen von Frauen hier in Bremen aufgebaut haben, eine durchaus wichtige unterstützende Funktion für die Künstlerinnen unserer Stadt. Als Kulturpolitikerin bin ich Ihnen sehr dankbar, dass sie diese Kontakte und Verbindungen den bildenden Künstlerinnen zur Verfügung stellen. Denn so wenig wie unsere Gesellschaft in den Bereichen der Wissenschaft und Wirtschaft auf das Potential von Frauen verzichten kann, so wenig kann auch die Kunst auf das Schaffen der Künstlerinnen verzichten.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen und uns weiterhin viel Power und Erfolg mit „Kunst in der Knochenhauerstraße“.