Deutsche Tagespost, 28. Januar 1993
Kritische Anmerkungen zu einer Broschüre des bremischen und niedersächsischen Frauenbüros / Von Elisabeth Motschmann „Frauenrechte in der Verfassung!“ Unter diesem Motto steht eine Broschüre zur Verfassungsreform. die bremische und niedersächsische Frauenbüros herausgegeben haben. Eingeleitet wird die Veröffentlichung mit je einem Vorwort der Bremer Senatorin für Arbeit und Frauen, Uhl, sowie der niedersächsischen Frauenministerin Schoppe.
Beide Politikerinnen wenden sich mit ihren Überlegungen an die gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat. „Um zu einer wirklichen Gleichberechtigung zu kommen“, erklärt Sabine Uhl, „bedarf es weitergehender verfassungsrechtlicher Regelungen“. Die Frauensenatorin und Pastorenfrau fordert Frauen darum auf, „solidarisch für ihre Interessen zu streiten“, denn „Frauen und Mädchen sind weiterhin der Gewalt durch Männer ausgesetzt. Ihnen wird das Recht verweigert, eigenständig über ihren Körper zu entscheiden.“ Waltraud Schoppe trägt ihre Forderung in der ihr eigenen feministischen Aggressivität vor: „Frauen wollen heute die Veränderung des Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz, weil sie die Nase gestrichen voll davon haben, aufgrund ihres Geschlechts die geringeren Chancen zu haben.“
Die Denkanstöße der Broschüre zu den einzelnen Artikeln des Grundgesetzes triefen von feministischem Geist und sind in ihrer Polemik kaum noch zu überbieten. Auf diese wenig qualifizierte Weise will man verdeutlichen, daß es mit der Gleichberechtigung in Deutschland noch immer traurig bestellt sei. Frauenfrust findet sich auf jeder Seite. Da ist die Rede von Unterdrückung, mangelnder Freiheit bei der Berufswahl, geringen Aufstiegschancen, fehlenden Entscheidungsbefugnissen, schlechter bezahlter und monotonerer Arbeit, von sexuellem Mißbrauch.
Die Situation der Frauen wird in einem so düsteren Bild gemalt, als habe die Frauenbewegung der vergangenen hundert Jahre nichts, aber auch gar nichts erreicht. Die Autorinnen vermitteln den Eindruck, als sei es nun endlich an der Zeit, das arme, vom Mann unterdrückte und sexuell ausgebeutete Heimchen am Herd durch eine Verfassungsreform aus ihrem trostlosen Schicksal zu befreien. Mit der Realität der modernen Frau hat die Situationsbeschreibung wenig zu tun.
Der Forderung für eine Reform der Verfassung am Ende der Broschüre hat man von der Bundeskonferenz kommunaler Frauenbüros übernommen:
- „Frauenförderung und Quotierung sind Staatsaufgaben.
- Jede Frau hat das Recht zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austrägt oder nicht.
- Keine Frau darf wegen ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt werden.
- Frauen und Männer, die mit Kindern leben oder für Pflegebedürftige sorgen, haben Anspruch auf staatlichen Schutz, Unterstützung und Förderung …“
Es ist nicht zu erwarten oder zu befürchten, daß derartige Vorschläge die erforderliche Mehrheit in der Verfassungskommission bekommen werden. Dennoch bleibt es beschämend, mit welchen Positionen und Forderungen sich Frauen an dieser Diskussion beteiligen, die kraft Amtes die Interessen der Frauen vertreten müßten. Hier geschieht das Gegenteil: Die Vorschläge der Frauenbüros und Gleichstellungsstellen zur Verfassungsreform kann man nur als frauenfeindlich und familienfeindlich bezeichnen. Wer fundamentale Grundwerte in Frage stellt, handelt nicht im Interesse der Frauen.
Der Vorschlag „Frauen und Männer, die mit Kindern leben“ unter den Schutz des Staates zu stellen, ist ein gezielter Angriff auf Ehe und Familie. Letzteren will man diesen besonderen Schutz entziehen, in dem man ihn für jede andere Form des Zusammenlebens einfordert. Man spürt die Absicht und ist verstimmt. Dies ist ein weiterer Beitrag zur Auflösung von Ehe und Familie. Es kann nicht im Interesse des Staates liegen, an der Aushöhlung der kleinsten und verlässlichsten Zelle der Gesellschaft mitzuwirken. Abgesehen davon wären Frauen und Kinder die größten Verlierer einer Verfassungsreform, die Ehe und Familie zur Disposition stellt.
Hinzu kommt, daß eine Gleichstellung von Ehe und nichtehelichen Gemeinschaften nicht vereinbar ist mit der christlichen Ethik. Auch wenn sich die „Bundeskonferenz kommunaler Frauenbüros“ für diesen Aspekt nicht zu interessieren scheint, so wird es erlaubt sein, daran zu erinnern, daß die Präambel des Grundgesetzes mit den Worten beginnt: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen …“ Die feministischen Vorschläge zur Verfassungsreform lassen diese Verantwortung vermissen.
Die unterschiedlichen sexuellen Orientierungen von Frauen und Männern sind ganz sicher kein Thema für eine Verfassung. „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Diesem ersten Satz von Artikel zwei des Grundgesetzes ist nichts hinzuzufügen. Und schließlich der Vorschlag: „Frauenförderung und Quotierung sind Staatsaufgaben“. Diese Forderung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Niemand darf – so steht es in Artikel 3 des Grundgesetzes – wegen seines Geschlechtes benachteiligt oder bevorzugt werden. Frauenförderung und Quotierung sind Instrumente zur Bevorzugung von Frauen. Die Bevorzugung eines Geschlechtes kann jedoch nicht zur Staatsaufgabe erhoben werden. Außerdem darf man davon ausgehen, daß jede Bevorzugung heftige Gegenreaktionen bei den dadurch Benachteiligten hervorrufen wird. Wer hat ein Interesse an einem solchen Geschlechterkampf? Wem soll er nützen? Gilt es nicht vielmehr, für ein besseres Miteinander einzutreten als für ein Gegeneinander von Mann und Frau?
Nach dem jetzigen Stand der Diskussion wird es wohl nur eine geringfügige Änderung des Artikels drei, Absatz zwei des Grundgesetzes geben. Künftig wird es dann heißen: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt.“ Statt wie bisher: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dies ist eine lächerliche Veränderung. Dennoch muß man dankbar sein, daß das zweijährige Engagement von eintausendelfhundert kommunalen Frauenbüros keine weiteren Auswirkungen auf die Verfassung haben wird.