Der Mann von heute – ein armer Teufel?

WELT am SONNTAG, 2. März 1986

Von E. MOTSCHMANN

Der „auf Rationalität fixierte, stahlharte und gefühlsarme Sexist, der alles Weibliche in sich und um sich herum unterdrückt, verbirgt oder zerstört“ ‚ dieser „Machtprotz und zugleich arme Teufel“ – wie er auf dem diese Woche beendeten Aachener Psychotherapie-Seminar beschrieben wurde -‚ ist nicht mehr gefragt. Stattdessen bastelten die etwa 1200 Psychotherapeuten den „ neuen Mann“, den „Softi“ -halb Wunsch, halb Wirklichkeit.

Die Männer verlieren zunehmend ihre Identität. Der Grund für diese Entwicklung ist in dem Zwiespalt zu suchen, in dem Männer stehen. Auf der einen Seite sind sie durch ihre Erziehung und natürliche Veranlagung angeblich noch einem alten, überkommenen Rollenbild „verhaftet“. Auf der anderen Seite stehen sie unter dem Druck der Forderungen der Frauenbewegung nach dem „neuen Mann“.
Das ständige Mäkeln der Emanzen scheint sich auszuwirken und deutliche Spuren im männlichen Selbstverständnis zu hinterlassen. Die permanente öffentliche Schelte der Feministinnen und vieler anderer Frauen hält auf Dauer auch der„ stärkste Mann“ kaum aus. Nun er sich an und wird „weich“.
Damit keine Mißverständnisse entstehen:
Niemand kann ein Interesse daran haben, das Rad der Frauenemanzipation zurückzudrehen. Fragen man jedoch, ob wir nicht an einem Punkt angelangt sind, wo wir im Interesse von Mann und Frau darauf achten müssen, daß das Rad nicht überdreht wird.

Diese Gefahr wird deutlich, wenn man sich die Kritik, die Frauen in den letzten Jahren an Männern übten, vergegenwärtigt.

Da wurde ihre sexistische, aggressive Redeweise an den Pranger gestellt und als „Lebenfremde Leben-feindliche in der Männerwelt verkümmerte oder aufgeblasene Sprache“ (Elisabeth Moltmann-Wendel) bezeichnet.

Hinzu kam das pauschalierende Gerede von den vielen „Paschas“. Den Frauen gelang es, zahlreiche Männer zu gewinnen, die ihr eigenes Geschlecht diskriminierten, indem sie selbstklagend in das „Pascha-Horn“ bliesen. CDU-Generalsekretär Heiner Geißler beeindruckte die Öffentlichkeit etwa mit der Erklärung: „Partnerschaft zwischen Mann und Frau kann es nur dann geben, wenn Männer von ihrem Paschathron heruntersteigen.“
„Es hat wenig Sinn, sich den Partner nach eigenem Bild zurechtzuschleifen“

Auf diese Weise wurde der Eindruck geschürt, als kümmerten sich die Männer ausschließlich um ihre beruflichen und um öffentliche Belange. Zu Hause schienen sie alle zu „versagen“, indem sie sich den häuslichen und familiären Aufgaben versagten.

Es wurde das Bild von einem „Typ-Mann“ gezeichnet, das suggerierte, Männer würden sich grundsätzlich von ihren Frauen bedienen lassen, sie unterdrücken und beherrschen, sich als Tyrannen und „Mordskerle“ aufspielen – und das auch und vor allem im Schlafzimmer.

Mit der Wirklichkeit haben diese Vorurteile wenig zu tun. Zwar kann nicht bestritten werden, daß diese Beschreibung auf einige Männer zutrifft – bedauerlich genug. Eine Verallgemeinerung aber ist ebenso fatal wie die Kampagne unter der Parole, alle Männer übten Gewalt gegen ihre Frauen aus.

Billige Klischees nutzen niemand. Mit dem gleichen Recht wie bei der Frau kann man beim Mann inzwischen von „Doppelbelastung“ reden. Und was die immer wieder beschworene „Gefühls-Kälte“ der Männer anbelangt, so sind offensichtlich die Frauen besonders berufen, darüber zu philosophieren, die schlechte oder gar keine Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gemacht haben.

Ob radikale Emanzen im Ernst meinen, durch Spott und Anklagen das Verhältnis der Geschlechter zueinander zu verbessern oder zu entkrampfen? Das Gegenteil ist der Fall. Verunsicherte oder unzufriedene Männer werden kaum in der Lage sein, Frauen glücklich zu machen. Lediglich die vielen „Beziehungskrisen“ werden so gefördert. Diese wiederum belasten letztlich die betroffenen Kinder.

Der Kreislauf des sich gegenseitig Unglücklichmachens kann nur durchbrochen werden, wenn Männer wie Frauen einsehen, daß es wenig Sinn hat, sich das jeweils andere Geschlecht nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen zurechtzuschleifen.

Der geschliffene neue Mann, der „Ideal-Mann“ aus Frauenträumen, ist sicherlich nicht der ideale Mann.

Elisabeth Motschmann ist Theologin und Pädagogin in Itzehoe