Zum Verhältnis von Christentum und Islam

„Wer den Dialog mit anderen Religionen führen möchte, muss zunächst seinen eigenen Glauben ernst nehmen“, erklärte die Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU Bremen, Elisabeth Motschmann, nach einer Vorstandssitzung.

Bundespräsident Christian Wulff hat mit seiner Äußerung, „der Islam gehört auch zu Deutschland“, eine notwendige Diskussion angestoßen. Diese Diskussion muss nun auf allen Ebenen und an allen Orten in unserem Land fortgesetzt werden, auch in Bremen. Alle Institutionen unserer Gesellschaft können und sollten sich daran beteiligen. Das folgende Diskussionspapier zum Verhältnis Christentum und Islam wurde vom Vorstand des EAK verabschiedet:

1. Christentum und Judentum gehören zu Deutschland
Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind die Grundlagen unserer Gesellschaft. Die Menschenrechte, unser Sozial- und Rechtssystem sowie unsere Kultur basieren auf dem christlichen Menschenbild, auf christlichen Werten und der christlich-jüdischen Tradition. Über diese christlich- jüdischen Wurzeln müssen wir mehr als bisher reden. Wir müssen sagen, wofür wir stehen und wir müssen sagen, was wir ablehnen.
Aus den Reihen von Bündnis/90 die Grünen wird in einem Diskussionspapier der Vorschlag gemacht, dem Islam den gleichen rechtlichen Status zu verleihen wie den christlichen Kirchen und der jüdischen Religionsgemeinschaft. Das lehnen wir entschieden ab. Auch die Einführung gesetzlicher Feiertage des Islams in Deutschland halten wir für nicht vertretbar.


2. Christen und Muslime
Christen und Muslime müssen bei allen Unterschieden in ihren Glaubensüberzeugungen dazu beitragen, Vertrauen aufzubauen. Es darf in unserem Land nie wieder Hass gegen Andersgläubige entstehen. Wo immer er aufflammt, müssen wir ihn im Keim ersticken. Weder Christen noch Muslime dürfen Überlegenheitsgefühle gegenüber Andersgläubigen entwickeln. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, Brücken zu bauen und die Bildung von Parallelgesellschaften zu verhindern. Integration kann nur gelingen, wenn beide Seiten sie wollen. Beide Seiten sind aufgerufen, Begegnung und Dialog zu ermöglichen. Der interreligiöse Dialog kann viel bewegen. Er trägt zum gegenseitigen Verständnis bei, verhindert Ausgrenzung und Feindschaft und ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Integration von Andersgläubigen.

3. Religionsunterricht unverzichtbar
Viele Christen gehören nur noch nominell einer christlichen Kirche an. Wenn uns der christliche Glaube gleichgültig ist, wird alles gleich gültig. Das müssen wir verhindern. Deshalb ist es wichtig, dass in den Schulen unseres Landes Religionsunterricht erteilt wird und nicht ausfällt. Religions-unterricht muss ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Bildungssystems sein. Für einen sinnvollen interreligiösen Dialog sind solide Kenntnisse der eigenen Religion unabdingbar. Andernfalls sind immer weniger Bürgerinnen und Bürger in der Lage, den Dialog mit anderen Religionen zu führen.
Die Frage, welcher Religionsunterricht der wachsenden Zahl von muslimischen Kindern erteilt wird, muss unter Einbeziehung der Erfahrungen mit dem bestehenden Modellversuch an einer Bremer Schule, geklärt werden.

4. Reformation und Aufklärung haben dem Christentum wichtige Impulse gegeben
Das Christentum hat unsere Gesellschaft insgesamt positiv geprägt. Allerdings müssen wir einräumen, dass es in der Geschichte auch negative Entwicklungen sowie Kriege im Namen Gottes gab, die wir heute weder verstehen noch gutheißen können. Hexenverbrennungen, Kreuzzüge und Religionskriege sind mit dem Evangelium nicht vereinbar. Deshalb ist dieser Teil der Kirchengeschichte niemals zu rechtfertigen. Im Gegensatz zu anderen Religionen hat das Christentum durch die Reformation und durch die Epoche der Aufklärung wichtige Impulse erfahren und aufgenommen. Dadurch ist es zu entscheidenden Kurskorrekturen gekommen.

5. Respekt und Toleranz gegenüber anderen Religionen müssen selbstverständlich sein
Wir haben kein Recht, Menschen abzulehnen, weil sie einen anderen Glauben haben. Das Grundgesetz sichert allen Menschen „die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses“ sowie die“ ungestörte Religionsausübung“ zu. Dieses hohe Verfassungsgut darf von niemandem in Frage gestellt werden.
Überall dort, wo im Namen einer Religion Hass gepredigt und Gewalt praktiziert wird, muss es entschiedenen Widerstand geben. Toleranz ist keine Einbahnstraße. Gegenüber jeglicher Intoleranz darf es keine Toleranz geben. So lehnen wir jede Diskriminierung von Frauen ab. Die Gleichberechtigung der Geschlechter darf nicht zur Disposition gestellt werden.

6. Wir brauchen den Islam nicht zu fürchten
Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Der allgemein anerkannte Islamkenner Peter Scholl-Latour schrieb: „Ich fürchte keinen starken Islam, aber ein schwaches Christentum.“ Darum sollten wir unsere christlich-jüdische Tradition viel selbstverständlicher achten und schützen. Dazu gehört, dass wir für unser Wertesystem mit seinen christlichen Wurzeln werben. Es gibt Musliminnen und Muslime, die bereit und aufgeschlossen sind, den Dialog und die Auseinandersetzung zu führen. Ihren Respekt können wir nicht gewinnen, wenn wir unsere eigenen Überzeugungen und unseren eigenen Glauben verbergen oder gar verleugnen. Vielmehr erwarten sie von uns klare Positionen und gute Argumente. Diese Chance dürfen wir nicht vertun.

7. „Weck die tote Christenheit“
Es ist zu bedauern, dass sich die evangelische und katholische Kirche an der aktuellen Diskussion so wenig beteiligen. Öffentliche Stellungnahmen hört man kaum. Die Politik wird mit Problemen alleingelassen, die auch von den Kirchen bewältigt werden müssten. Ein klares Bekenntnis zu unserem christlichen Glauben sowie zu unserer christlich-jüdischen Tradition und Kultur stünde den Vertretern der Kirchen gut an. Viele Menschen sind angesichts der aktuellen Diskussion verunsichert, weil die Kirchen und die Christen weithin schweigen. Dabei könnte der christliche Glaube gestärkt aus der Diskussion hervorgehen. Voraussetzung ist jedoch ein wegweisendes Wort der Kirchen. Der bekannte evangelische Choral „Sonne der Gerechtigkeit“ enthält den Aufruf: „Weck die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit, dass sie deine Stimme hört, sich zu deinem Wort bekehrt“. Genau das wäre jetzt die Aufgabe der christlichen Kirchen.