Anmerkungen von Elisabeth Motschmann zum „Equal Pay Day“ am 20. März 2009
Am 20. März 2009 fügt sich der „Equal Pay Day“ in die Reihe
der fast unübersehbaren Zahl von Gedenktagen ein: vom Frauentag über
den Tag des Kindes, des Waldes, des Bieres usw. Der „Equal Pay Day“
soll aufmerksam machen auf die Ungerechtigkeit insbesondere im
Hinblick auf die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen.
Das Anliegen ist richtig. Ob jedoch ein „Gedenktag“ an der noch
immer unbefriedigenden Situation etwas zu verändern vermag, sei
dahingestellt.
Ob der Aufruf der
Landesgleichstellungsbeauftragten, Ulrike Hauffe, anlässlich des
diesjährigen Frauentages zu einem ganz ähnlichen Thema mehr
Veränderungskraft hat, ist ebenfalls zumindest offen. „Wir müssen
viel radikaler werden“, erklärte sie und forderte: „…auch für
die Privatwirtschaft ein Gleichstellungsgesetz und Quoten zu
entwickeln.“
Diese Position ist problematisch. Trotz der Tatsache, dass Frauen auf dem Weg zur wirklichen Gleichberechtigung nur langsam vorankommen, wird hier eine Grenze überschritten. Radikale Forderungen für die Privatwirtschaft – so verständlich sie sein mögen – können auch zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen und sich insofern kontraproduktiv auswirken. „Wer nicht hören will, muss fühlen“, ist kein geeignetes Motto, um ein Umdenken in der Wirtschaft einzuleiten.
Auch wenn Eingriffe des Staates in die Soziale Marktwirtschaft im Augenblick Konjunktur haben und im Ausnahmefall in einer Krisensituation notwendig sein mögen, so muss die Frage erlaubt sein, ob verordnete Zwangsmaßnahmen den Frauen wirklich helfen? Wir müssen darüber hinaus fragen, wie frei eine freie Marktwirtschaft noch ist, wenn wir ihre Freiheit immer stärker gesetzlich einengen? Die Analyse der Frauenbeauftragten ist richtig:
– noch immer gibt es viel zu wenig Frauen in Führungspositionen,
– noch immer sind Vorstände und Aufsichtsräte fest in den Händen der Männer,
– noch immer verdienen Frauen im Durchschnitt in Bremen 24 Prozent weniger als Männer.
Richtig ist auch, dass diese Bilanz nicht nur peinlich, sondern auch nicht hinnehmbar ist. Schließlich ist der Notendurchschnitt im Abitur oder bei akademischen Abschlüssen in der Regel besser bei den weiblichen Absolventinnen als bei den männlichen Absolventen. Und schließlich darf man auch nicht ganz vergessen, dass Frauen sehr viel häufiger als Männer für ihre Kinder berufliche Kompromisse eingehen, um Zeit für die Familie zu haben. Bisher wirkt sich auch das nachteilig auf das berufliche Weiterkommen aus. Leider! Dadurch sehen sich Frauen nicht selten vor die Alternative gestellt: Beruf und Karriere oder Familie. Es müsste aber beides möglich sein. Das wiederum setzt voraus, dass Väter ihre Verantwortung für die Familie stärker sehen und in die Lebensplanung übersetzen. Auf die Einlösung dieser Selbstverständlichkeit warten viele – nicht alle – Frauen jedoch vergeblich. Und weil das so ist, übernehmen sie den Großteil der häuslichen Arbeit und die Kindererziehung. Feministinnen beklagen diese Arbeitsteilung.
Nur eines geht eben auch nicht, dass weder Mütter noch Väter sich um die Kinder und die Familie kümmern und staatliche Einrichtungen die Erziehung- und Betreuung allein zu richten haben. Der Staat kann und muss im Hinblick auf die Familien noch viel tun. Er kann unterstützen, helfen, ergänzen. Vater und Mutter kann er jedoch niemals ersetzen. Das muss uns bewusst sein und bleiben bei allem noch so verständlichen Streben nach Gleich-berechtigung.
Elternarbeit ist kein Nebenjob. Elternarbeit ist eine schöne, wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, die wir nicht vollständig wegdelegieren können und dürfen. Kinder sind und bleiben das Kostbarste, das uns anvertraut wird. Sie brauchen Liebe, Zeit und Geborgenheit. Gibt es hier Defizite, dann ist keine staatliche Einrichtung in Lage, diese Lücken zu schließen. Ein Übermaß an emotionaler und sozialer Wärme, Geborgenheit und Herzlichkeit besitzt unsere Gesellschaft ganz sicher nicht. Leider!
Darum müssen wir darauf achten, dass unser demokratisches Gemeinwesen nicht immer kälter, egoistischer und gewinnmaximierender wird. Das ist eine Aufgabe für Männer und Frauen. Wenn jedoch weder die einen noch die anderen sich für „zuständig“ erklären, dann bleibt die Menschlichkeit auf der Strecke und das kann keiner wollen.
Darum sollten wir bei allem, was wir in der Arbeitswelt fordern, die Kinder und die Familie nicht aus dem Blick verlieren. Radikalität ist selten ein probates Mittel, um Probleme zu lösen. Vielmehr ist Augenmaß angesagt, damit die Arbeitswelt und die Familien profitieren. Das gilt für den Frauentag ebenso wie für den „Equal Pay Day“
Im übrigen ist das Grundgesetz vor 60 Jahren in Kraft getreten und hat darin die Gleichstellung von Frauen und Männern festgeschrieben. Trotzdem gehört Deutschland zu den Ländern im europäischen Vergleich mit den größten durchschnittlichen Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen. Die Tatsache, dass die ohnehin schlechten bundesdeutschen Werte in der Hansestadt Bremen noch unterboten werden, ist angesichts der liberalen und sozialdemokratischen Tradition des Bundelandes besonders erstaunlich und ernüchternd.
Wenn jedoch Gleichstellungsgesetze und Quotenregelungen probate Mittel zur Bekämpfung bestehender Ungerechtigkeiten wären, dann müsste die Bilanz im Geltungsbereich von Geichstellungsgesetzen und Quotenregelungen deutlich besser aussehen. Genau das ist aber nicht der Fall. In den öffentlichen Verwaltungen, in staatseigenen Betrieben und Gesellschaften, in deren Tochtergesellschaften sowie in staatsnahen Betrieben, die mit öffentlichen Geldern finanziert werden, ist die Situation nicht signifikant besser als in der freien Wirtschaft.
Leider besteht immer die Möglichkeit, den Grundsatz: „bei gleicher Qualifikation sollen oder müssen Frauen bevorzugt berücksichtigt werden“, zu umgehen, indem die „gleiche Qualifikation“ angezweifelt wird oder so definiert wird, dass am Ende eben nicht die Frau, sondern der Mann den Stellenzuschlag bekommt. Dafür gibt es viele Beispiele. Niemand kennt sie besser als die Gleichstellungsbeauftragte. Von 60 Chefarztposten im Klinikverbund „Gesundheit Nord“ (Geno) sind gerade einmal 3 mit Frauen besetzt – obwohl hier eine Unternehmensatzung in Anlehnung an das Landesgleichstellungsgesetz gilt.
Insofern muss bezweifelt werden, dass Gesetze automatisch dazu führen, dass Frauen in die Führungsetagen aufrücken. Der Prozess, dass Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft gleiche Chancen haben wie Männer vollzieht sich nur sehr langsam – zu langsam.
Woran liegt das? Das Bewusstsein dafür, dass Frauen führen können, sich durchsetzen können, sich Respekt verschaffen können, von Mitarbeitern geachtet werden, gleiche, mitunter bessere Leistungen erbringen können, krisensicher sind, eine hohe Innovationskraft besitzen, ist bei vielen Männern noch immer nicht angekommen. Sie trauen Frauen oftmals unterbewusst nicht zu, dass sie „ihren Mann“ stehen können. Leider gibt es aber auch genügend Frauen, die sich das selbst nicht zutrauen und sich auch aus diesem Grund nicht auf Führungsstellen bewerben.
Hinzu kommt, dass nach wie vor die männlichen Netzwerke bzw. „Seilschaften“ belastbarer sind als die von Frauen. Frauen wären schlecht beraten, wenn sie eine Quotenregelung für die Schaffermahlzeit, die Eiswette, für den Rotary- oder Lions-Club oder all die vielen Männerbünde fordern würden. Fest steht aber auch, dass all diese wunderschönen, traditionellen Zusammenkünfte von gesellschaftlichen Leistungsträgern einen Selbstzweck und erfreuliche Sekundäreffekte haben, die sehr viele berufliche und geschäftliche Vorteile mit sich bringen, die Frauen verschlossen bleiben.