Gleichgültige Christen sind nicht dialogfähig

Parallelgesellschaften, mangelnde Integration, fehlende Deutschkenntnisse ausländischer, insbesondere muslimischer Mitbürgerinnen und Mitbürger – das sind die Stichworte der politischen Diskussion in diesen Tagen. Anlaß ist der Mord von Theo van Gogh durch einen religiösen Fanatiker in den Niederlanden und die berechtigte Sorge, auch in der Bundesrepublik könne sich das Nebeneinander der verschiedenen Religionen und Kulturen zu einem zunehmend konfliktreichen Gegeneinander auswachsen.

Was ist zu tun? Diese Frage stellen sich landauf landab alle politisch Verantwortlichen. Das Problem hat sich lange angebahnt. Es hat in der Vergangenheit auch hinreichend Warnungen vor einer solchen Entwicklung gegeben. Nun mehren sich die Appelle an die muslimische Seite: Der Bundespräsident fordert die in der Bundesrepublik lebenden Muslime auf, sich stärker als bisher von den extremistischen Taten und Ideologien der Islamisten zu distanzieren.


Elisabeth Motschmann, Staatsrätin beim Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen und stellvertretende Landesvorsitzende der CDU Bremen

Der Kanzler mahnt, daß jeder, der in Deutschland lebt, sich „klar und unmißverständlich zu unserer Rechtsordnung und unseren demokratischen Spielregeln bekennen muß“. „Wir müssen“, so erklärt Gerhard Schröder, „darauf bestehen, daß unserer Integrationsbereitschaft ein Integrationswille entspricht“. Auch die Baden-Württembergische Kultusministerin betont noch einmal, wie unverzichtbar das Erlernen der deutschen Sprache als Voraussetzung für jede Integration ist. Diese Appelle können gar nicht laut genug formuliert werden. Man kann nur hoffen, dass die Adressaten die Botschaft verstehen und beherzigen.

Was aber fordern wir von uns selbst? In welchem Verhältnis steht unsere Integrationsbereitschaft zu unserer Integrationsfähigkeit? Letztere erfordert mehr als nur ein ausreichendes Sprachangebot an Schulen und Volkshochschulen. Ein Dialog der Religionen und Kulturen setzt nicht nur die Sprachfähigkeit der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger voraus. Er setzt in einem ganz anderen Sinne auch die „Sprachfähigkeit“ der eigenen Bevölkerung voraus. Zum Dialog gehören bekanntlich zwei Seiten. Müssen wir nicht konstatieren, daß in unserem Land die Kenntnisse der Grundlagen des christlichen Glaubens, seiner Traditionen und Werte immer stärker zurückgehen?

Jahrzehntelang war der Religionsunterricht das Stiefkind der schulischen Stundentafeln. Wie oft ist er ausgefallen, wie oft wurde die zweite Wochenstunde ersatzlos gestrichen? Diese Tatsache wäre verkraftbar, wenn man sich im Hinblick auf die Vermittlung christlicher Werte und Traditionen auf die Elternhäuser verlassen könnte. Aber gerade dies ist eher die Ausnahme als die Regel. Lediglich der katholische Kommunionsunterricht hält noch, was er verspricht. Gleiches kann man vom evangelischen Konfirmandenunterricht generell nicht sagen. Muslimische Kinder dagegen bekommen die Grundlagen ihres Glaubens sowohl in der Familie als auch in der Moschee vorgelebt. An dieser Stelle hätten wir bereits allen Grund, dem muslimischen Vorbild zu folgen. Wie wollen wir sonst den interreligiösen Dialog führen und bestehen? Mohammed hat Christen und Juden durchaus anerkennend als „Volk der Schrift“ bezeichnet. Heute sind wir zwar nach wie vor im Besitz der Heiligen Schrift. Leider kennen aber immer weniger Menschen in unserem Land den Inhalt eben dieser Schrift. Wer von Parallelgesellschaften spricht, muß darum auch das parallele Lernen fordern. Auf der einen Seite steht die deutsche Sprache und Kultur auf der Agenda, auf der anderen Seite die Grundlagen des christlichen Glaubens. Nur so kann es gelingen, über den Dialog zu mehr Toleranz und gegenseitigem Verstehen zu gelangen. Überzeugte Muslime brauchen ein überzeugtes Gegenüber und nicht die weithin verbreitete Gleichgültigkeit. Wohin wollen wir denn integrieren, wenn wir selbst keinen Standpunkt haben?

Erweiterter alternativer Schlußteil:
Gleichgültige Christen haben keine Argumente gegen die Einführung eines muslimischen Feiertages wie ihn der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele gefordert hat oder gegen die Integration islamischer Bestattungsriten in unsere Bestattungsordnungen und -gesetze wie es z. Zeit in Bremen diskutiert wird.

Spätestens wenn es um die Rolle und Stellung der Frau geht, wird deutlich, wie sehr wir aufgerufen sind, unsere eigenen Werte und Positionen zu verteidigen.