Bürgerschaftswahl 2007 Kritische Anmerkungen

Nach 12 Jahren Regierungsbeteiligung in der Großen Koalition hat die CDU mit 25,7 Prozent der Stimmen ein unbefriedigendes Ergebnis erhalten. Die Tatsache, dass die SPD mehr Stimmen eingebüßt hat und ebenfalls ein schlechtes Ergebnis mit 36,8 Prozent eingefahren hat, zeigt deutlich, dass die Akzeptanz der Großen Koalition bei der Bevölkerung insgesamt gesunken ist.

Weder diese Feststellung noch die Tatsache, dass die Wahlergebnisse der Bremer CDU immer etwa 10 bis 12 Prozentpunkte unter den Ergebnissen der Bundes CDU liegen, darf dazu führen, dass wir ein so schlechtes Abschneiden resigniert hinnehmen und nicht selbstkritisch hinterfragen. Viele Jahre – oder waren es sogar Jahrzehnte – lag die Hessische CDU 10 bis 12 Punkte hinter dem Bundesdurchschnitt. Dennoch hat sie sich zur Mehrheits-partei entwickelt und trägt seit vielen Jahren Regierungsverantwortung. Auch Hamburg ist kein traditionelles CDU-Pflaster. Trotzdem ist es gelungen, die Sozialdemokraten in die Opposition zu schicken.

Ich bin mir der Gefahr bewusst, dass ich mich mit den folgenden kritischen Anmerkungen dem Vorwurf aussetze, im Nachhinein Entscheidungen und Abläufe zu kritisieren, die ich als Mitglied des Landesvorstandes mit zu verantworten habe. Aber zum einen ist man im Nachhinein immer schlauer und zum anderen gab es auch auffällige Abweichungen von der im Landesvorstand besprochenen Strategie. Im übrigen habe ich mich bei der Diskussion um das Wahlprogramm und die Wahlkampfstrategie zu verschiedenen Punkten kritisch geäußert, aber selbstverständlich die Mehrheitsentscheidungen solidarisch mitgetragen.

1. Der Wahlkampf

Zunächst ist festzustellen, dass der Wahlkampf engagiert, lebendig und professionell gelaufen ist. Dies geschah unter breiter Beteiligung der Parteibasis. Sowohl die Stadtbezirke als auch die Vereinigungen (insbesondere die Junge Union als auch die Frauenunion) haben mit großem Einsatz den Wahlkampf unterstützt. Im Vergleich mit den anderen Parteien war die CDU präsenter, offensiver und reaktionsschneller. Der Spitzenkandidat hat sich mit großem Engagement und unglaublichem Fleiß den vielen Diskussionen gestellt und war darüber hinaus sowohl im politischen als auch im vorpolitischen Raum durchgehend präsent. Das Cafe Röwekämp hat sich bewährt und war eine gute Anlaufstelle für den Bürger/Wähler.

Auch die im Landesvorstand vorgestellte Stategie, den Wahlkampf in vier inhaltliche Phasen einzuteilen war überzeugend. Die Plaktate zu den Themen Pisa, Innere Sicherheit (Kleine Menschen brauchen große Sicherheit) und zum Thema Wirtschaft/Arbeitsplätze waren sehr gut.

Kritisch zu sehen ist die Plakatwerbung mit dem Bürgermeister. Der Slogan „Starker Bürgermeister“ passte nicht – so die Meinung vieler – zu der physischen Statur von Thomas Röwekamp. Im übrigen sollte man eine Selbstverständlichkeit nicht unnötig betonen. Das Plakat wurde darüber hinaus als farblich zu blass angesehen. Auch die Strategie, den Wahl-kampf ausschließlich auf eine Person zuzuschneiden, war auch deshalb problematisch, weil das Wählerpotential der CDU (bei den über 60-Jährigen am höchsten) nicht alles durch einen 40-jährigen angesprochen werden kann. Die Stammwähler der CDU, die zuallererst gewonnen werden müssen, brauchen auch optisch einen stärkeren Mix aus Alter und Geschlecht.

Wichtiger und wahlentscheidender als das Wahlkampfmanagement sind jedoch die Themen und das inhaltliche Profil der Partei. Wie präsentiert sich die Partei programmatisch ihren Wählerinnen und Wähler und wie überzeugend und authentisch ist ihr inhaltliches Profil?

2. Themen/Profil

Folgende Themen haben m. E. einen Teil der Bremer CDU-Wähler so sehr verunsichert, dass sie entweder gar nicht zur Wahl gegangen sind oder einer anderen Partei ihre Stimme gegeben haben.

  • die nachgeordnete Rolle der Wirtschaftspolitik
  • die Debatte um den Mindestlohn
  • die Debatte um die Kinderkrippen
  • die Debatte um Susanne Becker geb. Albrecht
  • die Debatte um die Makakenversuche an der Universität
  • die fehlende Integration von Frauen im Wahlkampf
  • die fehlende Diskussion um die Senioren

Wirtschaftspolitk

Sowohl das Wahlprogramm als auch die Wahlkampfthemen sollten die Bremer CDU als moderne Großstadtpartei darstellen. Die Kernkompetenzen der CDU, Wirtschaft und Innere
Sicherheit, wurden dabei weniger in den Vordergrund gestellt als die sozialen und bildungspolitischen Themen. Wirtschaftliche Erfolge waren in der Vergangenheit bei allen Wahlkämpfen der CDU das zentrale Thema. Wirtschaftspolitik zählt zu den Kern-kompetenzen der CDU. In diesem Bereich besitzt die CDU das höchste Vertrauen der Wähler. Hier hätte man wahrhaftig viele Erfolge herausstellen können. Das gestiegene Wirtschaftswachstum steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zuwachs an Arbeitsplätzen. Und genau mit diesem Pfund hätte man massiv wuchern können.

Dies schlug sich jedoch im Wahlkampf viel zu wenig nieder. Das Plakat „Wirtschaft schafft Arbeit“ war gut, in den Veranstaltungen jedoch ging es selten schwerpunktmäßig um das Thema Wirtschaft. Es fehlten auch ausgewiesene Bundesredner und Experten als Referenten.
Dies ist unverständlich, denn eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist die entscheidende Voraussetzung für eine verlässliche Sozialpolitik. Statt der CDU, die den Wirtschaftssenator stellte, hat der SPD Spitzenkandidat Jens Börnsen Wirtschaftspolitik auf seine Fahnen und die SPD-Plakate geschrieben und für seinen Wahlkampf positiv eingesetzt. Die Kurskorrektur der CDU, mit dem Versuch, sich mehr als zuvor mit sozialen Themen zu profilieren, haben viele Stammwähler nicht verstanden und nicht nachvollziehen können. Diese Wende kam zu kurzfristig und – was schlimmer ist – man hat uns die soziale Hinwendung nicht ab-genommen.

Mindestlohn

War es bisher so, dass die Wirtschaftsexperten der CDU einen festgeschriebenen Mindestlohn ablehnten, so wurde dieser nun auch von der CDU aufgegriffen und – wenn auch modifiziert, als Kombilohn, – befürwortet. Diese Kehrtwendung hat auch an den Informationsständen zu kritischen, verständnislosen Nachfragen von traditionellen CDU-Wählern geführt. Den Wettlauf um dieses Thema konnte die CDU nicht gewinnen. SPD und Grüne sowie die Linkspartei diskutieren dieses Thema ohne wirtschaftliche Vernunft. Das kann und darf die CDU nicht. Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung einen Mindestlohn befürwortet, muss die CDU sich sehr genau überlegen, ob es klug ist, dieser Mehrheit zu folgen. Wir können nicht mit jedem Thema gewinnen und wir müssen es nicht. Entscheidend ist, dass wir authentisch bleiben und die eigenen Wähler zufrieden stellen.

Kinderkrippen

Verunsicherungen hat es auch im Hinblick auf die Krippendiskussion gegeben und auch dies wurde offen ausgesprochen. Dabei ging es nicht so sehr um die Grundsatzfrage, ob wir mehr Kinderkrippen brauchen. Der Fall Kevin hat hier dazu beigetragen, dass die Notwendigkeit von zusätzlichen Krippenplätzen durchaus anerkannt wurde. Es ging um die einseitige Bevorzugung der berufstätigen Mutter und um die Frage, ob die CDU tatsächlich meint, eine
Krippenbetreuung in den ersten Lebensjahren eines Kindes sei gleichwertig oder gar besser als die häusliche Betreuung.

Im Regierungsprogramm heißt es dazu: „Umfassende Kinderbetreuung setzt bereits bei Kindern unter drei Jahren an.“ Gemeint ist hier, dass diese „umfassende Kinderbetreuung“ in der Krippe“ stattfindet. Schon angesichts des Betreuungsschlüssels in Bremen ist eine solche Aussage problematisch. Diese Position wird damit begründet, dass sich „ die Zeiten geändert haben“. Dazu ist zu sagen, dass sich die Bedürfnisse eines Säuglings oder eines Kleinkindes ganz sicher nicht geändert haben.“

Trotz der hohen Anerkennung in der Öffentlichkeit für Frau v. der Leyen hat sich diese Diskussion, die auch der Spitzenkandidat Thomas Röwekamp engagiert geführt hat, nicht in Wählerstimmen bei den jungen Frauen ausgezahlt.

An dieser Stelle möchte ich – etwas ausführlicher – Wulf Schönbohm zitieren: „Die familien-politische Wende, die Frau von der Leyen unter Angela Merkel eingeleitet hat, entspricht
einem original sozialdemokratischen Konzept, das immer dem Individuum misstraut und stattdessen auf den Staat gesetzt hat. Der Krippenausbau erfolgt ohne präzise Nachfragedaten und ohne jemals die Alternative zu erörtern, nämlich den Eltern das entsprechende Geld in die Hand zu geben, so dass sie eine Tagesmutter oder mit anderen Eltern zusammen eine Kinderkrippe finanzieren können. Und dass Frau von der Leyen eine Geldzahlung an die
Mütter, die in den ersten Jahren ihr Kind lieber selbst versorgen und erziehen wollen, ablehnt beziehungsweise ihnen nur Gutscheine geben will, passt dazu: Unter
Berufung auf entsprechende Einzelfälle traut sie es Müttern nicht zu, dass sie das Geld sinnvoll für das Kind ausgeben.“

Beschäftigung von Susanne Becker, geb. Albrecht

Auch die Diskussion um die Beschäftigung von Susanne Becker, geb. Albrecht in einer Stadtteilschule war im Ergebnis kein Erfolg für die CDU. Das Thema eignete sich nicht für eine Wahlkampfdebatte. Die Bremer Medien waren von Anfang an klar auf der Seite von Susanne Becker, gleiches gilt für die Eltern der von ihr unterrichteten Kinder. So richtig es ist und bleibt, dass ehemalige Terroristen/Straftäter zwar ein Recht auf Resozialisierung haben, dafür aber der Umgang mit Kindern und Jugendlichen am schlechtesten geeignet ist, so schwierig ist es, dies differenziert im Wahlkampf zu vermitteln.

Hinzu kommt, dass man nach über 10 Jahren Arbeit von Susanne Becker konstatieren muss, dass diese Resozialisierungsmaßnahme zu keinerlei Anstoß und Ärgernis bei Eltern und Schülern geführt hat Um die Resozialisierung von Susanne Becker, die offenbar gelungen ist, nicht zu gefährden, hätte diese Diskussion unabhängig von der Person behutsam und grundsätzlich geführt werden müssen und das geht eben nicht im Wahlkampf.

Makakenversuche an der Universität

Ein ständiges Ärgernis für die CDU bestand darin, dass Unterbezirksparteitage oder Parteitage der SPD Regierungshandeln bestimmen, zumindest mitbestimmen – und das in komplizierten Fragen und Zusammenhängen. Darum war es verwunderlich und unverständlich, dass die CDU auf einem Parteitag vor der Wahl einen Beschluss fasste, der sich mit einem äußerst schwierigen Thema der Neuro- und Kognitionsforschung befasst hat: den Versuchen an Makaken. Bisher vertrat die CDU die Position, dass jeglicher Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehre auszuschließen ist. Nun beschloss der CDU-Parteitag einen Passus im Regierungsprogramm für die Bürgerschaftswahl 2007 unter der Überschrift:

„Makakenversuche an der Universität beenden“
„Wir gehen davon aus, dass die invasiven Tierversuche an Makaken im Rahmen der Neuro- und Kognitionsforschung an der Universität Bremen mit Ablauf der Genehmigungsperiode (2008 E. Mo.) beendet werden. Voraussetzung ist, dass die eingesetzte Kommission diese Regelung für zulässig hält. Unabhängig davon werden wir für diese Forschung keine weiteren Mittel des Landes zur Verfügung stellen.“

Damit wurde erstmals in die Freiheit von Forschung und Lehre eingegriffen. Der Beschluss orientiert sich an der öffentlichen Kritik der Tierversuchsgegner und Tierschützer, die man wohl kaum für die CDU gewinnen kann.

In der wissenschaftlichen Zeitschrift „Nature“ vom 26. April 2007 findet sich unter der Überschrift: „Primate work faces German veto“ eine vernichtende Kritik im Hinblick auf die politische Einmischung in die Forschung von Professor Kreiter in Bremen:

„German scientists have condemned a parliamentary decision to stop primate experiments at the University of Bremen, calling it unacceptable political interference with the freedom to conduct research.”
Weiter heißt es: “Neither the state parliament nor the state government can order the university to close down the centre. But Kreiter fears that political pressure will force the local authorities not to approve further experiments.”
“This decision was motivated by the election campaigne, says Matthias Kleiner, president of the DFG …It`s an attempt to interfere with the constitutionally guaranteed freedom to research.”
Alexander Thiele, Gehirnforscher der Universität Newcastle(UK) bezeichnet die Einmischung in Kreiters Forschung gar als „skandalös“.

Es darf jedoch bezweifelt werden, dass dieser Kurswechsel in der Wissenschaftspolitik das Image der CDU verbessert hat und dadurch neue Wähler gewonnen wurden.

Frauen im Wahlkampf

Da der gesamte Wahlkampf auf den Spitzenkandidaten allein zugeschnitten war, wurden Frauen im Gegensatz zum vergangenen Wahlkampf nicht einbezogen. Auch die erste Frau auf
der Liste, Dr. Rita Mohr-Lüllmann, eine ausgewiesene Expertin im Gesundheitsbereich und exzellente Rednerin und in CDU-Kreisen hoch angesehen spielte im Wahlkampf keine herausgehobene Rolle.

Außer den beiden Bundesrednerinnen Angela Merkel und Ursula v. der Leyen fanden Frauen im CDU-Wahlkampf nicht statt. Man wollte wohl den Fehler des vergangenen Wahlkampfes vermeiden, vor der Wahl mit Frauen zu werben, um sie nach der Wahl bei der Verteilung von Ämtern kaum zu berücksichtigen.

Dieses Glaubwürdigkeitsdefizit wurde umgangen, indem man die Frauen lediglich an Infoständen auf der Strasse einsetzte. Die Wahlkampfbroschüre zum Thema Frauen war ebenfalls wenig hilfreich, zumal jede Beratung mit Frauen über den Inhalt vorher offenbar nicht stattgefunden hatte. Die Broschüre warb optisch nur mit ganz jungen Frauen. Da das Stammwählerpotential der CDU am wenigsten bei den 20- bis 30jährigen liegt, hätte man
die Broschüre optisch und inhaltlich breiter anlegen müssen.

Senioren

Eine Zielgruppe wurde im Wahlkampf völlig links liegengelassen: die Senioren.
Längst hat die Wirtschaft, der Einzelhandel und die Werbung diese außerordentlich wichtige Zielgruppe entdeckt. Zum einen ist diese große Bevölkerungsgruppe so gesund und fit wie nie zuvor, zum anderen ist sie auch sehr einsatzbereit und einsatzfähig. Die Arbeitszeit bis 67 ist inzwischen beschlossene Sache.

Die Gruppe 60+ ist auch für Wahlen äußerst interessant. In dieser Gruppe sind normalerweise die treusten CDU-Wähler zu finden. Leider fand diese Tatsache im Wahlkampf nicht genügend Berücksichtigung. Die einzige nennenswerte Aktion für diese Zielgruppe, neben einigen Besuchen von Altenheimen, war der Zielgruppenbrief an die Senioren, der leider aufgrund einer missverständlichen Formulierung mehr Unmut verursacht als Wählerstimmen gebracht hat.

Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die auch von mir grundsätzlich befürwortete Verjüngung des Spitzenpersonals zu abrupt erfolgt ist und damit ältere Wählerschichten nicht mehr ausreichend angesprochen werden konnten. Dies gilt im übrigen auch für die Aufstellung der Kandidaten. So wünschenswert es ist, neue, junge Kandidatinnen und Kandidaten zu gewinnen, so wichtig ist es, diesen Generationswechsel mit Augenmaß zu vollziehen. Unsere älteren Wähler brauchen erfahrene, ältere Ansprechpartner.

Auch thematisch haben wir uns zu wenig an die Zielgruppe der Generation 60+ gewandt.
Kein Prospekt hat sich den Themen gewidmet, die für diese Altersgruppe besonders interessant und relevant sind.

3. Fazit:

Die CDU hat in der Gesamtbetrachtung mehr Wählerinnen und Wähler verloren als neue hinzugewonnen. Das neue Schwerpunktthema „Kinder in großstädtischer Gesellschaft“ hat nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Gerade Jungwähler und die mittlere Generation konnten nicht davon überzeugt werden, dass ihre Stimme am besten bei der CDU aufgehoben ist.

Der Vorwurf einer Sozialdemokratisierung der CDU ist nicht nur in der Presseberichterstattung nach den Wahlen immer wieder gefallen, sondern während des
Wahlkampfes aus der Mitte der eigenen, im Grunde wohlmeinenden Wählerschaft gekommen. Dieser Vorwurf wird auch im Hinblick auf die Bundespolitik immer lauter. In einem Beitrag von Wulf Schönbohm in der Welt vom 15. 8. 2007 heißt es: „ Deshalb werden aus dem Wahldebakel auch gerne falsche Schlussfolgerungen gezogen, wie zum Beispiel die, die CDU müsse sozialdemokratischer werden.“ Auch in Bremen sollten wir eine solche
Schlussfolgerung aus der Wahlniederlage am 13. Mai 2007 nicht ziehen.

Die Verunsicherung der eigenen Wählerschaft resultiert m. E. aus der Tatsache, dass man zu sehr versucht hat, es allen recht zu machen und dabei das eigene Profil vernachlässigt hat. Nicht bei jedem Thema darf die CDU anstreben, die Mehrheit der Bevölkerung zu gewinnen.
Entscheidend ist es vielmehr, Grundsatzüberzeugungen und den Teil der Wählerinnen und Wähler die damit zu gewinnen sind, nicht aufzugeben. Eine Partei kann niemals die Interessen der gesamten Bevölkerung vertreten. Bekanntlich kommt das Wort „Partei“ von dem lateinischen Wort pars =Teil.

Die Schlussfolgerung von Jens Eckhoff, die CDU solle sich nach links, mehr zu den Grünen öffnen, ist genau falsch. Die Linken in Bremen sind durch SPD, Grüne und die Linkspartei allerbestens versorgt. Im linken Spektrum gibt es ein reichhaltiges Angebot. Wenn sich die
CDU weiter nach links bewegen würde, wäre dort die Konkurrenz am größten. Im übrigen wählt man lieber das Original als die Kopie.

Aus meiner Sicht gewinnt und hält man Wähler durch Authentizität. Zunächst muss eine Partei ihre Kernkompetenzen und ihre eigenen Werte in den Vordergrund stellen und dann erst die Felder besetzen, die eher von anderen Parteien bedient werden.

Glaubwürdigkeit entsteht auch dadurch, dass sich Parteimitglieder im vorpolitischen Raum engagieren und dort ehrenamtlich verankert sind. Nur so bringt man Wort und Tat in Einklang
und kann langfristig Vertrauen aufbauen. Wenn man also verstärkt soziale Themen besetzen
möchte, muss sich dies auch widerspiegeln im sozialen, ehrenamtlichen Engagement der
Mitglieder und Funktionsträger. Dadurch ergibt sich eine Bindung an Personen, denen man dann auch abnimmt, dass sie sich öffentlich für soziale Belange einsetzen.

Darum wird es in der Zukunft darauf ankommen, ob es der CDU gelingt, mehr als bisher
im vorpolitischen Raum präsent zu sein. Ehrenamtliche Arbeit in den Bereichen Soziales, Sport, Bildung, Kultur und Kirche, führen ganz von alleine zu einer großstädtischen Offenheit und Prägung. Wer dieses Image will, muss es leben und kann es nicht herbeireden.

Elisabeth Motschmann
18. Mai 2001
Ergänzt um aktuelle Zitate am 29. August 2007