Bremens gute Stube als Weltkulturerbe

Weser Kurier, 16. März 2001

Anmeldung bei der Unesco wird derzeit vorbereitet

Von unserem Redakteur Bernd Schneider
Der Marktplatz mit Rathaus, Schütting, Roland und Dom, die Rokoko- und Renaissance-Fassaden an der Westseite – das Ist Bremens gute Stube. Jedes Kind weiß das.
Nun soll das komplette Ensemble als „Weltkulturerbe“ unter den Schutz der gesamten Menschheit gestellt werden. Entsprechende Planungen zur Anmeldung bei der Unesco sind bereits in vollem Gange.

Dabei steht die augenfällige Schönheit der Fassaden von Rathaus, Ratsapotheke und Sparkasse gar nicht so sehr im Vordergrund, wie Hans-Joachim Manske erläutert. Im Kern der Pläne, so der Referatsleiter im Kulturressort und zuständig für Denkmalpflege, stehe die geschichtliche Einmaligkeit des Quartetts aus Rathaus, Schütting, Dom und Bürgerschaft. Nirgendwo sonst nämlich seien 1000 Jahre Geschichte einer Stadtrepublik auf so engem Raum vereint. „So ein Ensemble gibt es in Europa nicht noch einmal. Das ist in der ganzen Welt einmalig“, zeigt sich Manske überzeugt. Rund um den Marktplatz seien „alle entscheidenden Einflussgrößen der Stadt immer versammelt gewesen. Und sie sind es noch heute.“

Der Regierungssitz im Rathaus, die Kaufmannschaft (heute als Handelskammer) im Schütting, die geistliche Macht im Dom und die moderne Demokratie im Gebäude der Bürgerschaft – „das ist der Geburtsort des Bremischen Stadtwesens und bis heute sein zentraler Punkt“, so der Denkmalschützer.

Mit der Anmeldung zum Weltkulturerbe verbunden ist vor allem das unbedingte Bekenntnis zum Erhalt des Marktplatzes mitsamt seiner Bebauung. Nimmt das zuständige „Welterbekomitee“ in Paris das Ensemble auf, „dann ist das die wichtigste Auszeichnung überhaupt“, so Manske. „Höher geht es nicht mehr.“ Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU): ,, Mit der Anmeldung haben wir gute Chancen, dieses Ensemble dauerhaft für alle Folgegenerationen zu erhalten.“ Vor allem die touristische Bedeutung dieser Auszeichnung hebt sie hervor: „Dafür würde eine Aufnahme in die Liste des Welterbes eine große Rolle spielen.“

Bis Jahresende muss das Bremer Kulturressort nun die Auflagen der Unesco für die Anmeldung erfüllen, Dazu gehören Gutachten über Bedeutung und Zustand der Gebäude. Erst anschließend kann die Bundesrepublik das Bremer Anliegen in Paris vortragen.

Am Ende dürfte wenigstens das in seinem Kern gotische Rathaus aus dem Jahr 1405 das Siegel des Weltkulturerbes tragen, zeigt sich Manske überzeugt. Wegen seiner „bedeutenden Architektur“ sei es „eines der wichtigsten Rathäuser in Deutschland“ Schließlich gilt die 1608 bis 1616 umgestaltete Fassade als eines der schönsten Beispiele der Weserrenaissance. Entscheidend seien die weitgehend „originale Bausubstanz und die größtenteils ursprüngliche Ausstattung“ Nicht zu vergessen auch die Tatsache, dass es seit 600 Jahren kontinuierlich als Regierungssitz genutzt werde.

Und nicht nur das: Ausstellungen, Informationsveranstaltungen, Empfänge – die Bremer nutzen ihr Rathaus auf vielfältige Weise. „Das ist etwas, das wir erhalten wollen“, bekennt Elisabeth Motschmann. Mit der Anmeldung zum Weltkulturerbe könnte diese Vielfalt zumindest teilweise verloren gehen. „Das ist derzeit noch ungeklärt“ ‚sagte sie, „wir müssen das noch prüfen.“

Rathaus neben den Pyramiden von Giseh

(sei) 690 Kultur- und Naturstätten werden bei der Unesco (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation) in der „Liste des Welterbes“ geführt, davon 24 aus Deutschland. Aufgenommen werden einzigartige, „historisch echte“ Kulturdenkmäler. Der Erhaltungsgrad und ein überzeugender Erhaltungsplan spielen dabei eine entscheidende Rolle. Zum Weltkulturerbe gehören die Pyramiden von Giseh genau so wie die Chinesische Mauer und das Grabmal des ersten Kaisers von China. In Deutschland stehen unter anderem die Dome Aachen, Speyer und Köln auf der Liste. Eine Garantie gegen den Verlust von Kulturgütern ist damit allerdings nicht verbunden, wie die Zerstörung der Buddha-Statuen in Afghanistan durch die Taliban erst Anfang der Woche vor Augen geführt hat


Auf bestem Weg in die „Liste des Welterbes“ der Unesco: Der Marktplatz mit seinem einmaligen Rathaus und dem steinernen Roland. Nicht im Bild: Schütting, Dom und einige prachtvolle Fassaden an der Westseite. Auch sie sollen geschützt werden. Foto: Frank-Thomas Koch