taz bremen, 22. Dezember 1999
Es wird wieder eifrig debattiert über die Bremer Kultur. In unserer Reihe über die absehbaren Auswirkungen der Sparpolitik auf die Kultur nimmt heute Elisabeth Motschmann Stellung. Die Staatsrätin kündigt Dialog und Schließungen an.
„Es ist nichts so teuer wie kein Geld zu haben.“ Mit diesen Worten hat der neue Leiter der senatorischen Kulturabteilung, Reinhard Strömer, vor zwei Wochen in der taz den Zustand in der Bremer Kulturszene und seinen Arbeitsalltag beschrieben (vgl. taz vom 4.12.). Das Kunststück, zu sparen, ohne dass es wehtut, werde in Bremen genauso wenig gelingen wie andernorts, sagte Strömer außerdem und löste mit seinen Äußerungen eine Debatte aus. In zwei Entgegnungen warfen ihm die Mitgründerin der Kulturinitiative „Anstoß“, Katrin Rabus, und der Regisseur Carsten Werner vor, sich nicht genug für die Interessen der Kulturszene einzusetzen und nur den Mangel zu verwalten (vgl .taz vom 14. und 15.12.). Darauf wiederum antwortet in der heutigen Ausgabe die Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU). In ihrem Beitrag fordert sie die Kulturschaffenden zum Dialog auf. Andererseits bekräftigt sie ihre Ankündigung, dass in Folge der Sparpolitik Einrichtungen geschlossen werden müssen. Kulturpolitik zählt zu den interessantesten und schönsten Feldern der Politik. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn das Geld knapper wird. In Bremen muss gespart werden. Überall. Auch die Kultur kann nicht ausgenommen werden. Leider! Jammern hilft nicht. Wir müssen das Beste aus dieser schwierigen Situation machen. Dafür sind folgende Punkte wichtig:
- Den Dialog mit den Kultur- schaffenden führen.
- Die Bedeutung der Kultur für die Zukunft Bremens immer wieder neu begründen.
- Transparente Kriterien für die Vergabe von Finanzmitteln vorlegen.
- Prioritäten setzen.
- Das Verhältnis Kultur und Wirtschaft weiter verbessern.
Der Dialog zwischen den Kulturschaffenden und den politisch Verantwortlichen ist und bleibt unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen der Kulturpolitik. Nicht nur Bremen, sondern auch in anderen Städten gibt es für diesen Dialog eine gute Tradition. Die Initiative „Anstoß“ hat in der letzten Legislaturperiode die kulturpolitische Gesprächssituation deutlich verbessert und vorangebracht. Daran sollten wir anknüpfen. Inhalt der Gespräche können jedoch gegenseitigen Vorwürfe sein oder polemische Klagen über die Kulturverwaltung, wie sie der Regisseur Carsten Werner formuliert hat. Wem soll das nützen? Der Kultur nützt es mit Sicherheit nicht. Im Mittelpunkt unserer Gespräche sollten vielmehr folgende Fragen stehen: Welche Schwerpunkte werden im Kulturleben Bremens im neuen Jahrtausend gesetzt? Welche Akzente sind uns wichtig? Wie wird das Verhältnis der traditionellen Kultureinrichtungen und der freien Szene verantwortlich gestaltet?
Angesichts knapper Finanzen muß auch die schwierige aber notwendige Entscheidung getroffen werden, worauf wir in Zukunft verzichten. Welche Chancen bestehen, um privates Engagement für die Kultur weiter zu fördern beziehungsweise zu akquirieren?
Diese und viele weitere Fragen müssen im neuen Jahr erörtert werden. Fest steht, dass die Politik nicht nur Fragen stellen kann, sondern aufgefordert ist, Antworten zu geben. Zumindest müssen wir erste Antworten finden und vorlegen. Dazu sind wir selbstverständlich nicht nur bereit – wir sind vielmehr konzentriert dabei, Problem für Problem, Frage für Frage abzuarbeiten und dann der Öffentlichkeit vorzustellen und mit den Kulturschaffenden zu diskutieren.
Kultur muß sich der Konkurrenz anderer Politikfelder stellen, um die notwendigen finanziellen Mittel einzuwerben. Kultur ist konkurrenzfähig. Die Bedeutung der Hansestadt ist maßgeblich begründet durch die Leistungen der Kaufmannschaft. Neben den sogenannten „harten Standortfaktoren“ ist es aber auch die Kultur, die sich prägend und attraktivitäts-steigernd ausgewirkt hat.
Kulturelle Attraktionen sind in hohem Maße tourismusfördernd. Bremen besitzt überregionale Anziehungskraft unter anderem aufgrund seiner kunsthistorischen Bauten und seines kulturellen Angebotes. Hier gilt es, einen Standort zu erhalten, weiterzuentwickeln und zu fördern.
Bei allen notwendigen Entscheidungen muss der Qualitätsgedanke im Vordergrund stehen. Auch in der Vergangenheit wurde Kunst und Kultur in wirtschaftlich bzw. politisch schwierigen Zeiten für wichtig erachtet. Von dem Engagement vorangehender Generationen können wir heute profitieren. Wir sind der Tradition verpflichtet. Wir dürfen uns jedoch nicht nur als Nachlassverwaltung verstehen, sondern haben die Verpflichtung, kulturelle Weiterentwicklung möglich zu machen. Es lohnt, dafür Mittel bereitzustellen, auch wenn wir einräumen müssen, dass der Haushaltsnotstand auch im Bereich Kultur dazu führen muss, Ressourcen besonders sorgfältig und effizient einzusetzen. Die dafür notwendigen Kriterien sind von der Kulturmanagement Bremen GmbH (k.m.b.) erarbeitet worden. Nun müssen diese Kriterien an alle Einrichtungen angelegt werden. Der Prozess ist mühsam. Das Ziel – ein Kulturentwicklungsplan – ist angesichts der begrenzten Mittel unumgänglich. Ein Vergnügen ist diese Arbeit nicht, denn wir wissen schon heute: Alles werden wir uns künftig nicht mehr leisten können. Aber was wir uns künftig leisten, muss sowohl der Tradition als auch der Zukunft der Kultur Rechnung tragen.
Bewährte Prioritäten werden fortgesetzt, zusätzlich müssen zum Teil neue Prioritäten definiert werden. Sie orientieren sich sicherlich an den finanziellen Rahmenbedingungen. Aber es gibt darüber hinaus andere Orientierungspunkte. Kulturelle Prioritäten müssen sich in die gesamte Stadtentwicklung einfügen. Sie müssen das Angebot von Bildung und Wissenschaft, Wirtschaft und Soziales ergänzen oder begleiten. Prioritäten setzen bedeutet Entscheidungen treffen. Kürzungen mit dem Rasenmäher (das heißt Kürzungen aller Einrichtungen mit einer einheitlichen Quote) kann und darf es nicht geben. Damit würde man sich um Entscheidungen drücken. Die Folge wäre, dass alle zu wenig zum Leben, aber zuviel zum Sterben hätten. Das kann niemand wollen und verantworten.
Schon immer hat es in Bremen viel privates Engagement für die Kultur gegeben. Heute sind wir mehr denn je auf dieses Engagement angewiesen. Neben den Großbetrieben und einzelnen großen Privatmäzenen sollte der Mittelstand für die Kulturförderung gewonnen werden. Sponsoring heißt Geben und Nehmen. In diesem Sinne profitieren beide: Die Kultur und der Betrieb. Das kann jedoch nicht bedeuten, daß sich der Staat aus der Kulturförderung zurückzieht. Kultur war und ist immer auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Noch nie hat man im Bereich Kultur kostendeckend arbeiten können. Selbstverständlich kann man auch mit kulturellen Aktivitäten Geld einnehmen. Erfolgreiche Ausstellungen oder Konzerte sind dafür ein Beispiel. Man kann mit Kultur auch höhere Einnahmen erzielen als manche Kulturschaffenden glauben. Dahingehende Anstrengungen sind folglich das Gebot der Stunde. Eines aber steht fest: Die erzielbaren Einnahmen werden auch beim besten Willen, kreativster Ideen und größter Bemühungen niemals die Kosten insgesamt ausgleichen. Kultur kostet Geld, aber sie bringt etwas, was wir nicht mit Geld bezahlen können: Lebensqualität und -freude, Förderung von Kreativität und Phantasie, Besinnung auf unsere Geschichte und Hinwendung zu Gegenwart und Zukunft.
Elisabeth Motschmann