Die Kultur braucht Luft zum Atmen

DIE WELT, 13. August 2001

Die Staatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU) im WELT – Gespräch – „Jede Million Mark mehr ist ein Erfolg“

Elisabeth Motschmann (CDU) ist seit Beginn dieser Legislaturperiode Staatsrätin für Kultur und Sport, „wobe“ wie sie betont, „das erste Feld mehr im Blickpunkt steht, mir das zweite aber genauso viel bedeutet“.Nach dem Rücktritt von Bernt Schulte wird sie künftig mit Senator Kuno Böse zusammenarbeiten, der den Bereich Inneres vorab schon als Priorität bezeichnete. Wie Frau Motschmann Vergangenheit und Zukunft der Bremer Kulturszene einschätzt, sagte sie Frank Schümann im WELT – Interview.

DIE WELT: Frau Motschmann, ein Senator ist gegangen, ein neuer kommt – und die Kultur spielte dabei eine große Rolle. Wie bewerten Sie die Kulturpolitik zur Halbzeit dieser Legislaturperiode?

Elisabeth Motschmann:
Die letzten zwei Jahre waren geprägt von vielen Änderungen im Kulturbereich, von vielen Umgestaltungen und Neustrukturierungen und sicher auch von schwierigen Rahmenbedingungen. Wir müssen versuchen, mit den Geldern, die wir bekommen, die Kulturszene Bremens zu erhalten und weiter zu entwickeln. Kennzahlen und Finanzen sind große Themen, die uns beschäftigen, aber für mich stehen noch immer die Inhalte im Vordergrund, und die müssen wir fördern. Finanzielle Nöte und betriebswirtschaftliche Denkweisen dürfen die Kultur nicht erdrücken – Kultur braucht Luft zum Atmen.

WELT: Nun fehlen aber n den nächsten beiden Jahren voraussichtlich 4,1 Millionen Mark, die trotz des gewahrten 133,8-Millionen-Marks- Etats durch Tarifsteigerungen und weitere Zusatzkosten entstehen werden. Wie soll Kultur da atmen können?

Motschmann: Wir sind ja noch nicht am Ende der Diskussion um die Haushalte, und ich bleibe optimistisch, dass wir diese Lücke mit Hilfe des Parlaments weitgehend schließen können.

WELT: Hoffen Sie dabei auch auf die Hilfe anderer Ressorts?

Motschmann: Wir erhalten ja schon vom Wirtschaftsressort das Kultur-WAP, zudem werden einige Förderungen vom Wissenschaftsressort mitfinanziert. Insofern müssen wir dem Eindruck entgegentreten, als wollten wir immer nur anderen in die Tasche greifen. Vorstellen könnte ich mir, was Jens Eckhoff kürzlich angeregt hat: dass man die Mittel bei der Bremen Marketing Gesellschaft von zwei auf vier Millionen aufstockt. Das wäre ein Riesenerfolg – nur liegt es außerhalb unseres Verantwortungsbereiches, und deshalb bin ich an dieser Stelle vorsichtig. Insgesamt muss man natürlich sagen: Jede Million Mark mehr; die wir auf diesem Wege bekommen, ist ein Erfolg.

WELT: Es dürfte schwierig sein, diese Botschaft den Kulturschaffenden zu verkaufen…

Motschmann: Die Kultur wird immer sagen, es ist zu wenig, und das kann ich auch nachvollziehen. Aber die Wirklichkeit sieht leider nicht so rosig aus, wie wir uns das wünschen. Jeder will mehr. Wir als Ressort müssen aber sehen, was realistisch machbar ist.Wir sind doch nicht die Gegner, sondern die Anwälte der Kultur. Dennoch müssen auch wir uns unter Umständen die Frage stellen, ob jede Einrichtung noch zeitgemäß oder überhaupt noch stabilisierbar ist.

WELT: Das kulturpolitische Klima war in der Vergangenheit reichlich angespannt. Wird es sich Ihrer Einschätzung nach unter dem neuen Senator verändern?

Motschmann: Das Klima zwischen Kulturschaffenden und Kulturverwaltung ist von Haus aus spannungsreich und in Bremen nicht schwieriger als in anderen
großen Städten. Die Voraussetzungen für die nächsten zwei Jahre sind aus meiner Sicht aber keineswegs negativ.Wir sind aufgefordert, eine Anwaltsfunktion wahrzunehmen, und dem wird Dr. Böse ebenso nachkommen wie zuvor Dr. Schulte.

WELT: Wird Ihr Einfluss angesichts der Prioritätensetzung des neuen Senators steigen?

Motschmann: Es ist die Aufgabe einer Staaträtin, ausgleichend zu wirken – und jeder kann davon ausgehen, dass ich das leidenschaftlich tun werde.

WELT: Also ein klares Ja?

Motschmann: Sagen wir, ein Ja in Bereitschaftsstellung. Warten wir doch erstmal ab, bis mein Kollege Kuno Böse im neuen Amt ist. Ich glaube schon, dass er sich massiv einsetzen wird und die Kulturpolitik auf gar keinen Fall vernachlässigt wissen will.

WELT:
Bernt Schulte hat viel Kritik einstecken müssen. Die WELT sagte er, dass er bei der Koalitionsverhandlung vor zwei Jahren gar nicht dabei gewesen wäre – Sie aber schon…

Motschmann: Ich war dabei, das ist richtig, und jeder, der auch dabei war, wird wissen, dass ich in den Koalitionsverhandlungen sehr hartnäckig darauf gedrungen habe, dass die Kultur finanziell hinreichend ausgestattet wird. Ich habe damals schon gesagt, dass das, was wir ausgehandelt hatten, nicht reichen wird. Den Vorwurf, dass ich nicht genug gekämpft hätte, kann ich nicht stehen lassen, weil er nicht stimmt. Ich kann nur betonen, dass ich für die Kultur unverdrossen weiter kämpfen werde.

Hofft auf finanzielle Unterstützung durch das
Parlament: Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann
Foto: Pusch