WESER KURIER, 18. Juli 1997
Elisabeth Motschmann und Carmen Emigholz über den Vorschlag der CDU für eine Kulturstiftung
Die Bremer CDU-Fraktion überraschte unlängst die Öffentlichkeit mit der Ankündigung, sie sei für eine Kulturstiftung mit einem einmaligen Einsatz von 100 Millionen Mark. Von fünf Millionen Mark an jährlichen Zinserträgen könne man die Bremer Kultur begleitend mitfinanzieren.
Über den Sinn einer solchen Stiftung führte unser Redaktionsmitglied Arnulf Marzluf ein Gespräch mit den kulturpolitischen Sprecherinnen der Fraktionen, Elisabeth Motschmann (CDU) und Carmen Emigholz (SPD).
Frage: Frau Motschmann, mir scheint, die CDU möchte sich nun auch in der Kulturpolitik gegenüber der SPD profilieren?
Motschmann: Ja, wobei man keine völlig neue Kulturpolitik machen kann. Wir wollen langfristig der Kultur mehr Geld zur Verfügung stellen. Die Mittel dürfen nicht schon nach drei Jahren aufgebraucht sein.
Sie spielen auf die geplante Kultur- GmbH mit ihrer Finanzausstattung von 50 Millionen Mark für drei Jahre an?
Motschmann: Ja. Die Konzeption der Senatorin sieht so aus, daß diese 50 Millionen Mark nur die Haushaltslöcher stopfen sollen, die aufgrund des Sparkurses des Senats aufgerissen wurden. Unter dieser Voraussetzung hätte man den Haushaltseckwert für Kultur gleich erhöhen können. Wir brauchen ein Instrument für Kulturförderung, dlas länger wirkt.
Die Kürzungen von einmal 11 und einmal 13 Millionen Mark im kommenden Doppelhaushalt werden durch die Erträge aus den Zinsen Ihres Modells nicht gerade ausgeglichen.
Motschmann: Die Kürzungen sind nicht zu erbringen, ohne daß wir ganz schmerzliche Einschnitte machen müssen. Das ist meine persönliche Meinung. Sie würden auch die großen traditionellen Einrichtungen der Bremer Kultur treffen und nicht nur die kleinen, die vergleichsweise geringfügig bezuschußt werden. Ich kann nur sagen, Senatorin Kahrs hätte den Eckwerten im Senat nicht zustimmen dürfen. Nun hat Frau Kahrs allerdings einen beachtlichen Etat, und da müßte durch Verschiebungen einige zu bewirken sein, zumindest sollte man hier durch Sparwillen dokumentieren. Sonst muß sie eben im Senat nachverhandeln. Denn, ich sage auch, der Eckwert für Kultur stimmt nicht.
Frau Emigholz, die SPD hat mit den 50 Millionen Mark auch bloß eine Dreijahresperspektive. Dann ist das Geld weg.
Emigholz: Richtig, doch wir befinden uns in einem Begutachtungsverfahren zur Verwaltungsmodernisierung und -effektivierung. Ich bin auch der Ansicht wie die CDU, daß wir das Geld in den drei Jahren nicht verfrühstücken können. Deshalb arbeiten wir an einem Bedarfskonzept.
Motschmann: Das ist traumhaft, aber es geht an der gegenwärtigen Haushaltsnotlage vorbei, Wenn man die Eckwerte an dem Bedarf orientiert, würde jedes Ressort einen Bedarf anmelden, der unsere Finanzierungsmöglichkeiten schließlich übersteigt.
Sind Sie nicht mit den 50 Millionen Mark erst einmal handlungsfähig? Mit den fünf Millionen pro Jahr ist man es sicher nicht.
Motschmann: Frau Kahrs könnte in ihrem Ressort umschichten.
Emigholz: Das Bildungsressort ist ohnehin schon eng. Ich habe die Sorge, daß ein Signal an die Kulturszene geht, wir haben zwar hundert Millionen Mark, müssen aber trotzdem Einrichtungen schließen, die nur ein paar zehntausend Mark brauchen.
Frau Motschmann, was soll erhalten bleiben?
Motschmann: Wir müssen zuallererst sehen, daß wir die großen en Einrichtungen der Spitzenkultur sichern – Theater, Museen, Orchester. Und dann muß man sehen, was noch bleibt. Ich will ja auch nichts schließen, aber ich sehe auch nicht, daß wir gar keinen Sparbeitrag erbringen können.
Frau Emigholz, wo sieht die SPD ihre Schwerpunkte?
Emigholz: Ich bin für die Erhaltung der kulturellen Vielfalt. Wir haben eine Menge von Kürzungen hingenommen. Wir brauchen jetzt im Gegenteil eine antizyklische Förderung. Wir können die Kultur nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten. Ich möchte auch das Innovative fördern. Vieles, was heute nicht ertragreich ist, kann einen gesellschaftlichen Nutzen haben.
Motschmann: Ich will das alles auch, die kontroverse, die provokative Kultur usw. Dies gehörte immer zu ihren Aufgaben. Wir können aber nicht nur formulieren, was wir wollen, sondern müssen auch sehen, was wir können. Ohne Sparen geht‘s nicht.
Wo, bitte?
Motschmann: Das kann man nur gemeinschaftlich beantworten.
Sie weichen aus.
Motschmann: Ein Beispiel: Ich bekomme kiloweise Hochglanzbroschüren aus dem ganzen Bereich der Kultur, teuerste Prospekte. Muß das sein? Und: Wir müssen auch über solche Dinge wie Tarifstrukturen beim Bremer Theaters nachdenken oder beim Staatsorchester. Bei der Kammerphilharmonie geht es auch anders.
Also: wenn wir den Vorschlag der CDU realisieren, müssen wir bei fünf Millionen Mark jährlich jetzt schon schließen, denn faktisch gibt es zur Zeit keine weiteren Mittel bei der beschlossenen Kürzung des Haushalts mit Stichtag 30. September 1997. Und wenn wir den Vorschlag der SPD realisieren, schließen wir erst in drei Jahren, weil das Geld eben dann weg ist. Eine famose Politik.
Emigholz: Ich würde sagen, wir wollen die kulturelle Vielfalt und die Absicherung dieser Vielfalt im Haushalt, und wir wollen gemeinsam eine Konstruktion schaffen, es muß ja keine GmbH sein, damit Einrichtungen sich auch entwickeln können.
Carmen Emigholz(SPD) und Elisabeth Motschmann (CDU)
Foto: Jochen Stoss