Bremen, den 10. September 2010
An die Musliminnen und Muslime
in Bremen und an anderen Orten
Liebe Musliminnen und Muslime,
die Androhung von Koranverbrennungen am 11. September im Namen Gottes ist ein Skandal. Es ist beschämend, dass jemand, der Christ sein will, sich zu einer derartigen Aktion hinreißen lässt. Damit wird der Dialog der Religionen und Kulturen weltweit erschwert. Das gilt auch für Bremen.
Was ist zu tun? Es reicht nicht, sich verbal von Koranverbrennungen zu distanzieren. Taten müssen folgen. Christen und Muslime müssen bei allen Unterschieden in ihren Glaubensüberzeugungen dazu beitragen, Vertrauen aufzubauen. Es darf in unserem Land nie wieder Hass gegen Andersgläubige entstehen. Wo immer er aufflammt, müssen wir ihn im Keim ersticken. Weder Christen noch Muslime dürfen Überlegenheitsgefühle gegenüber Andersgläubigen entwickeln.
Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, Brücken zu bauen und für ein Klima der Toleranz in unserem Land und unserer Stadt sorgen. Integration kann nur gelingen, wenn beide Seiten sie wollen. Beide Seiten sind aufgerufen, Begegnung und Dialog zu ermöglichen. Dadurch entsteht ein Klima der Toleranz und des gegenseitigen Respekts. Toleranz ist niemals eine Einbahnstraße.
Wir dürfen auch nicht die Augen davor verschließen, wie viele Integrations- Angebote, Maßnahmen und Projekte es bereit gibt. Kindergärten, Schulen, Volkshochschulen, Sportvereine und viele andere Institutionen arbeiten nicht erst seit dem Buch von Thilo Sarrazin mit Kindern und Jugendlichen, die einen Migrationshintergrund haben. Vieles wird bereits gemacht. Ich habe viele Projekte gesehen und kennengelernt. Das alles ist noch nicht genug. Das wissen wir. Aber wissen auch alle Migranten, dass sie unsere Sprache lernen müssen und unsere Rechtsordnung respektieren müssen? Wissen alle Muslime, wie wichtig uns die mühsam erkämpften Rechte für Frauen sind? Diese Rechte wollen wir nicht wieder verlieren, sondern weiter mit Leben erfüllen!
Wir wollen angesichts der aktuellen Diskussionen nicht vergessen, wie viele Migranten in unserem Land leben, die sich vorbildlich integriert haben. Es gibt Lehrer und Lehrerinnen, Professoren und Professorinnen, Schriftsteller und Schriftstellerinnen, Moderatoren und Moderatorinnen oder auch eine Landesministerin unter den Migranten. Es geht also. Voraussetzung für das Gelingen von Integration ist Bildung. Die Bildungschancen für alle Kinder weiter zu verbessern, ist eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben in Stadt und Land. Damit müssen wir möglichst früh mit den Kindern, die Sprachdefizite haben, beginnen. Es gibt also viel zu tun: für Eltern, für Erzieher, Kindergärtnerinnen, Lehrer und für uns Politiker und Politikerinnen.
Mit freundlichem Gruß
Elisabeth Motschmann, MdBB